Trotz all der beständigen Verlustängste ist das hervorstechende Merkmal von „Certain Freedoms“ aber wohl, dass es viel ausgeglichener als das Trade-Wind-Debüt klingt. Schon der Vorgänger war mit seinen ruhigen bis poppigen Songs arg weit von dem entfernt gewesen, was Barnett bei Stick To Your Guns und Gitarrist Tom Williams bei Stray From The Path spielen. Auf dem neuen Album wird diese Abgrenzung aber noch deutlicher. Die Band treibt immer deutlicher in sphärischen, introvertierten Klanglandschaften, Ausbrüche sind die Seltenheit, brodelnde Wut-Brocken wie „Lowest Form“ von „You Make Everything Disappear“ fehlen ganz. Barnetts Gedankengänge wirken dadurch kontrollierter, aber manchmal auch kämpferisch-aufständisch. Zentral drückt dieses Gefühl besonders die erste Single „No King But Me“ aus, in der Barnett um seine eigene Selbstachtung kämpft. „‚No King But Me‘ handelt von jemandem, von dem ich mich zu sehr habe herumschubsen lassen“, erklärt er die Bedeutung des Songs. „Der Song erinnert mich daran, dass ich trotzdem in Ordnung bin. Es ist egal, ob diese Person jemand Anderen gewählt hat, es ist egal, was sie mir angetan hat. Ich führe mein eigenes Leben. Ich entscheide, was mir passiert.“
Barnett spricht sehr durchdacht und klar strukturiert, während er sich Gedanken über sein eigenes Leben macht. Dadurch wird deutlich, wie sehr sich die Wesensänderung seiner Musik auch in ihm selbst spiegelt. Barnetts neu gewonnene Kraft gibt ihm auch die Möglichkeit, seine Erfahrungen musikalisch an Außenstehende zu richten und sich abseits seiner eigenen Kämpfe auch auf sein Umfeld zu konzentrieren. Der Song „How’s Your Head“ fragt so etwa umsorgend nach dem Befinden eines Freundes. „Wir leben in einem kapitalistischen System, eine Menge Menschen machen sich Sorgen“, kommentiert Barnett den Song. „Viele haben aber nicht den Stolz zuzugeben, wie sich fühlen.“ Aus ihm spricht die Erfahrung, die ihn antreibt, andere Menschen von seinem Schicksal abzuhalten. „Du wirst weiser, wenn du scheiterst. Wahrscheinlich habe ich so viel gelernt, weil mein Leben so eine Reihe von Katastrophen ist.“
Dass Barnett mittlerweile wieder klar denken kann, hat mit einer zentralen Erkenntnis zu tun, die gleichsam tragisch wie mutig ist. „Die Hoffnung entsteht bei mir fast aus der Depression“, beschreibt er mit ernster, aber gefasster Miene. „Ich habe realisiert, dass ich meine Arbeit so sehr liebe, dass ich dafür sogar akzeptieren würde, für den Rest meines Lebens allein zu sein. Vorher habe ich darum gekämpft, meine Arbeit so ausführen zu können wie ich möchte und dabei trotzdem mein Leben mit einer Person zu teilen. Es hat mich viel gekostet, darüber hinwegzukommen. Es ist ein zweischneidiges Schwert: Einerseits akzeptiere ich mein Schicksal, anderseits ist niemand damit zufrieden, allein zu sein.“
Repräsentiert wird Barnetts selbst gesetzte Balance auf dem Albumcover von „Certain Freedoms“. Der darauf abgebildete Ballon wird von zwei Händen mit Hammer und Nagel davon abgehalten, zu hoch zu steigen – ein Prozess, den Barnett nun selbst reguliert. „Wenn wir ehrlich sind, geht es im Leben um Kompromisse – besonders dann, wenn wir von Menschen sprechen, die wir lieben“, meint er. „Ich habe aber einen Punkt erreicht, an dem ich für die meisten Menschen keine Kompromisse mehr eingehen würde. In dem Moment, in dem ich nicht mehr toure, in dem ich keine Musik mehr mache, verfehle ich den Sinn meines Lebens.“
Wenn man über Barnetts Worte nachdenkt, kann man eigentlich kaum anders, als sie gleichsam mit Faszination, aber auch mit Bestürzung aufzunehmen. Doch so, wie der Sänger sie erzählt, sind sie der Ausdruck eines Mannes, der endlich auf dem Weg zu innerer Balance ist. So ist Trade Winds „Certain Freedoms“ zwar noch immer die Abbildung eines Daseins voller Hürden, aber eben auch das Schlupfloch weg von der Verneinung hin zur Akzeptanz der eigenen Prioritäten. Barnett trägt diese Erkenntnis mittlerweile auch demonstrativ an seinem Körper: Die Worte „No King But Me“ prangen sichtbar frisch gestochen auf seinem Hals.