Schwierigste Platte des Jahres: Ich liebe Swain und ich befürworte fast alles, was sie auf ihrem neuen Album „Negative Space“ veranstalten. Noch nie erlebte die Entwicklung der Band einen derartig frappierenden Bruch, das Songwriting des Albums ist klug, die klangliche Vielfalt beeindruckend, Casper und Jeremy Bolm sind zwei überragende Feature-Gäste. Und doch gefällt mir der Gedanke nicht, dass dieses Album wahrscheinlich das endgültige Live-Begräbnis von Swains Hardcore-Vergangenheit und den fantastischen Songs von „Howl“ sein wird. Denn ganz ehrlich: Wenn es um so eine grandiose Platte geht, dann darf ich auch mal ein Szene-Kiddie mit Scheuklappen sein.
Textzeilen des Jahres: 2019 könnte ich diese Liste wirklich problemlos ausschließlich mit Kora-Winter-Superlativen vollbekommen, aber das wäre einerseits wohl ganz schön langweilig zu lesen und würde der Breite dieses musikalischen Jahres anderseits auch nicht gerecht werden. Aber wenigstens diese eine Nennung muss noch sein. Schließlich bin ich jedes Mal wieder tief bestürzt, wenn Kora-Winter-Frontmann Hakan Halaç in „Eifer“ seine frappierend ehrliche Gefühlsdarlegung mit den Worten „Im Eifer des Gefechts hab ich vergessen wie man lacht/ Ich hab die ganze Zeit damit verbracht nur zu schreien“ eröffnet. Diese wenigen Worte sind gerade deswegen so tiefschürfend, weil sie sich nicht hinter Metaphorik verstecken und klanglich mit einem plötzlichen, reflektierenden Ruhepol einhergehen. Dass der Song anschließend doch wieder in alte Verhaltensmuster zurückstürzt – bezeichnenderweise mit einem Zitat aus Kora Winters alter EP „Welk“ – ist der vielleicht am schwersten zu verdauende Moment des Jahres.
Bester Song einer nur okayen Platte: Die Empfehlungen des geschätzten Redaktionskollegen Julius finden regelmäßig den Weg in mein Plattenregal, 2019 hat er es aber wohl das allererste Mal geschafft, mich für Deutschrap zu begeistern. Dass ausgerechnet Max Herre in diesem Jahr einer der innovativsten Neudenker des zeitgenössischen Hip-Hop-Sounds sein würde, hätte wahrscheinlich kaum jemand für möglich gehalten. Aber „Athen“ hat eben alles, angefangen beim Ambient-inspirierten Beat über das Pink-Floyd-Solo im Mittelteil bis hin zur Kontrastfolie von Herres völlig unverzerrter Stimme in den Strophen-Parts, die das Bindeglied zwischen unwirklicher Melancholie und persönlichem Kummer schaffen. Umso enttäuschender, wenn das gleichnamige Album insgesamt nicht über die Konnotation „gut“ hinauskommt. Gemessen an einer Single, die den Sound der späten 2010er-Jahre neu definieren könnte, ist das zu wenig.