Dank moderner Kommunikationsmittel finden Interviews nicht erst seit Corona meistens via Skype oder Telefon statt. Dennoch ist es ein anderes Gefühl, in diesen Tagen mit Apaath ein Gespräch via Videocall zu führen – schlicht deswegen, weil diese Art des Austausches keine Sondersituation mehr darstellt, sondern in Zeiten der Selbstisolation Alltag geworden ist. „Wir haben zum ersten Mal eine Situation, aus der uns einzig und allein der gesunde Menschenverstand bringen kann“, meint Apaath-Bassist Johannes Seeger zu der aktuellen Lage. „Gründlich sein und zuhause bleiben sind ja letztendlich nur Empfehlungen, zu denen man Menschen schwer zwingen kann. Rückwirkend haben wir das auf dem Album auch thematisiert. Wir müssen cool miteinander sein und Rücksicht aufeinander nehmen.“
„Schere Zange Glück“ heißt das Debütalbum von Apaath und passt vielleicht auch deswegen so gut in diese seltsame Zeit, weil Liebe und Achtsamkeit eigentlich immer grundlegende Pfeiler unserer Gesellschaft sind, die sich nur jetzt gerade mit besonderer Wirkung zeigen. Die Allgemeingültigkeit dieser Tugenden zeigt sich auf der Platte auf frappierende Art und Weise von selbst. Apaath erzählen darauf von äußerst dramatischen Geschichten, in „31#B“ wird gar ein Suizid äußerst bildgewaltig vertont. Der Sinn dieser Erzählungen liegt nicht in ihrem bloßen Schockeffekt, sondern wird vor allem in der Auflösung sichtbar. Im Closer „Interferenzen“ schließen Apaath die vorangegangene Düsternis der Platte ab und enden sogar plakativ mit einem friedlichen Pfeifen. „Für mich ist dieses Ende die Versöhnung, die gemeinsam mit dem Fragen aufwerfenden Opener den Rahmen der Platte schafft“, erklärt auch Gitarrist Peter Schneider dazu. „Dazwischen stehen all die traurigen Geschichten, die wir erzählen. ‚Interferenzen‘ ist dann schon rein instrumental, aber eben auch textlich die Lösung davon. Wir müssen einfach mehr aufeinander achten, gemeinsam glücklich sein.“
Den Weg zu ihrem Debütalbum erleben Apaath – nicht nur aufgrund der aktuellen Lage – gleichsam mit Stringenz und Spontanität. Schon die zwiegespaltene Entstehungsgeschichte der Songs spiegelt diesen Dualismus sehr gut wieder. „Wir hatten das Studio für sieben Tage gebucht“, berichtet Peter von den Aufnahmen. „Dort wollten wir eigentlich alle Songs instrumental aufnehmen. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir außerdem bereits ein Ferienhaus angefragt, in dem wir danach den Gesang aufnehmen wollten. Dann standen wir aber kurz vor dem Studio und hatten nur fünf Songs fertig. Schlussendlich haben wir diese dann vollständig im Studio aufgenommen und aus der Zeit im Ferienhaus das beste gemacht. Wir haben uns dort vorgenommen, jeden Tag einen Song zu schreiben. Das war eigentlich aus der Not heraus geboren, ist im Nachhinein aber eigentlich ziemlich cool so.“ „So wie die Songs dann waren, waren sie dann halt“, ergänzt Johannes. „So kam deutlich mehr zustande, niemand hat irgendeinen Druck verspürt. Wir haben einfach gemacht und wenn das nicht gepasst hätte, dann hätten wir eben eine geile EP am Start gehabt.“