Auf die Debüt-EP "Eine Frage der Begeisterung" von 2017 folgte im darauffolgenden Jahr die aktuelle EP "Alles was du hast". Hört man die beiden Platten nacheinander, ist die musikalische, textliche und technische Weiterentwicklung nicht von der Hand zu weisen. Die ehemals fast schon komödiantischen Texte sind scharfsinnigen zwischenmenschlichen Beobachtungen und kleinen politischen Statements gewichen, der Anspruch gestiegen. "Ich achte besonders auf die Phonetik in meinen Texten", erzählt Moritz dazu. "Ich finde, dass gerade Bilderbuch in der deutschen Szene ganz wichtige Anstöße gebracht haben." War "Eine Frage der Begeisterung" zwar eine toll geschriebene, ambitionierte EP mit charmanten Ideen, merkte man ihr doch die begrenzten technischen Mittel der Band an. "Alles was du has(s)t" beginnt den gleichnamigen Titeltrack nicht nur mit ihrem charakteristischen Mix aus Blues-Groove und Indie-Eingängigkeit, sondern auch einem waschechten Ohrwurm-Refrain. Und Zeilen wie "Bitte, bitte, bitte denk nach/Für dich trag ich Selfmade-Camouflage" kann man einfach nicht böse sein.
Unabhängig von ihrer Musik sind Die Lieferanten aber auch eine klassische DIY-Band, deren Attitüde irgendwie im Münsteraner Kranwasser stecken muss. Tour-Organisation, Pressearbeit, Förderanträge, Social-Media-Arbeit? "Da kümmern wir uns alle selbst drum", sagt Aaron. Und das mit Erfolg: Die Band spielt kleine Touren in ausverkauften Münsteraner Cafés und betreibt eine Spotify-Playlist mit über 1.200 Followern: "German Indie Sound". Sie ist laut Aaron "Lukas' ganzer Stolz" – kein Wunder, ist eine große Playlist doch eine perfekte Art, sich mit anderen Künstlern zu verbinden.
Alle Mitglieder der Band studieren an der WWU Münster auf Lehramt, Aaron belegt als einziger das Fach Musikpädagogik mit Hauptinstrument E-Bass und hat gerade ein Auslandssemester im walisischen Cardiff hinter sich. Den studentischen Bezug merkt man ihrer Musik unüberhörbar an, glücklicherweise verfallen die Jungs nie in eine linke, gutbürgerliche Selbstgefälligkeit. Im Gegenteil: "Jeder sucht ja nach irgendetwas", stellt Moritz fest. "Ich finde tatsächlich Menschen, die gar nicht mehr suchen, total uninteressant. Das hat für mich was mit Neugier zu tun, sich für andere Dinge zu interessieren, aus seiner Blase irgendwie rauszukommen.“ Der Begriff "Blase" fällt unter Münsteranern auffällig oft, gerade unter den Zugezogenen. "Hier ist die Welt irgendwie in Ordnung", sagt man und ein unheilvoller Unterton ist nicht zu überhören, als wolle man der perfekten, studentischen Backstein-Idylle nicht so recht trauen. Der Ansatz der Lieferanten, sich zwischen eskapistischer Feelgood-Attitüde und kritischer Hinterfragung des First-World-Lebensstils zu positionieren, verdient Respekt. Das Ganze dann als "Schabernacksoul" zu verkaufen, verlangt Humor.