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Nathan Gray und "Live at Dechenhöhle Iserlohn": Momentum

Im vergangenen Herbst kam bei einem Redaktionsmeeting das Thema "Besondere Konzertlocations" auf. Dass Kirchen und Kathedralen wunderbare Orte für Shows sind, ist inzwischen weit bekannt. Auf die Idee von Boysetsfire Frontmann Nathan Gray kam aber niemand von uns: Dieser setzte sich und sein Publikum in Iserlohn in eine Tropfsteinhöhle. Heraus kam ein ganz besonderes Live-Album.

Diese bergen immer eine gewisse Gefahr. Wird zu viel herausgeschnitten, geht viel Atmosphäre verloren. Turbostaat haben in diesem Jahr mit ihrem "Nachtbrot" vorgemacht, wie es geht. Das singende Publikum in "Ruperts Gruen" ist richtiggehend einschüchternd. Aber das ist auf diesem Album schlichtweg ein Ding der Unmöglichkeit. Bei einem Unplugged-Album geht das Publikum einfach nicht so extrem mit. Aber Gray setzt andere Reize.

Alleine die Neuinterpretation von Boysetsfire- und The Casting Out- Songs sind schon eine echte Show. Gerade "Fall From Grace" bekommt in dieser Version eine neue Bedeutung als in der Boysetsfire-Version. Denn aus Wut wird Trauer und Verzweiflung. Wobei auf dem ganzen Album auch unterschieden werden muss: Schon auf "Feral Hymns" zeigt Gray, dass er in rein akustischen Stücken wie "Alone" am stärksten ist. Anders als in "As The Waves Crash Down", wo er elektrisch verstärkt begleitet wird. Auch das klingt wunderbar, aber hier gilt: ruhiger gleich besser. So muss dann auch auf dem Album unterschieden werden. Aber das ist ein Punkt, an dem er es nicht allen recht machen kann. Zwar mag es besser klingen, aber dann muss man sich eben auch eine Stunde lang Songs vom akustischen Kaliber von "Alone" anhören, was auch einschläfernd werden kann. So wurde letztlich doch der Mittelweg gefunden.

Doch die wahre Magie dieses Abends liegt zwischen den Songs. Als "Invocation" gekennzeichnet, erklärt Nathan Gray die Songs, ihre Herkunft, ihre Bedeutung und gibt dabei unglaublich viel von sich preis. Alleine der kleine Seelenstrip vor "Echoes" lässt bei Unwissenden die Kinnlade herunterklappen, wenn er erzählt, wo sein gestörtes Verhältnis mit der Kirche herkommt. Da kommt dann noch das letzte bisschen Emotion her, die aus einem guten ein sehr gutes Live-Album macht.

Die musikalische Komponente ist überragend, was allerdings nach dem furiosen Solo-Debüt wenig überraschend ist. Aber mithilfe diese Stimmung und seinem Gespür dafür, die richtigen Worte im richtigen Moment zu finden, kann sich Gray nochmals steigern.

Fazit

8.2
Wertung

Eines der großartigsten Unplugged-Alben der letzten Jahre. Es stimmt einfach alles bei Nathan Gray… zum wiederholten Male!

Moritz Zelkowicz