Zum einen, da der Rapper im Verlauf der Platte mit wirklich variantenreichen Stimmungswechseln arbeitet. In „I.O.U.“ inszeniert Shinoda scharf und direkt Trap-Elemente, „Nothing Makes Sense Anymore“ treibt mit durchdringenden Synthie-Streichern in großer Tragik voran, „Crossing A Line“ bildet mit seinen aufstrebend-lockeren Beat den Mut machenden Gegenpol. Die äußerst diversen Einfärbungen der Songs repräsentieren eindrücklich Shinodas inneren Kampf mit sich selbst. Die Trauer um den verstorbenen Freund geht mit Selbstzweifeln und Reue einher, Wut peitscht in den verzweifelsten Momenten als Kompensation hervor – und trotzdem bleibt am Ende immer die Hoffnung.
Am wichtigsten ist aber wohl, dass es für „Post Traumatic“ keine bessere Erzählweise als die schnörkellose und unverzerrte gäbe, die Shinoda für das Album gewählt hat. Denn dieses Album darf nicht in erster Linie als bloße Songsammlung verstanden werden, sondern als Katharsis einer unvorstellbaren Lebenssituation. Besonders schwer wiegt hier das fantastische „Lift Off“, in dem Shinoda gemeinsam mit Deftones-Frontmann Chino Moreno und Machine Gun Kelly eine tragische Hymne an seine inneren Dämonen richtet. In „Over Again“ zeigt sich der Rapper hörbar frustriert über falsche Beileidsbekundungen und kommentiert in „Can’t Hear You Now“ gelähmt von Trauer das Fehlen seines Freundes.
In erster Linie ist „Post Traumatic“ aber vor allem der Ausdruck einer neuen Hoffnung, das Voranschreiten nach einem Schicksalsschlag und der Glaube an bessere Zeiten. Shinoda hat mit seinem ersten Solowerk seit 13 Jahren eine ergreifende Hilfe für all diejenigen geschaffen, in deren Leben Chester Benningtons Tod ein klaffendes Loch gerissen hat. Die schonungslose Offenheit dieser Platte ist ihre mit Abstand größte Stärke. Das kann sehr weh tun, aber wer über schwierige Themen nicht redet, der verdrängt sie nur. Shinoda schafft mit „Post Traumatic“ deswegen ohne Wenn und Aber sein wertvollstes Werk seit Linkin Parks „A Thousand Suns“ aus dem Jahr 2010. Und wer ihm nach dieser maßgeblichen Platte noch mangelnde Authentizität vorwirft, der hat nichts verstanden.