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Me and Reas und "Bittersweet": Definieren Sie 'Safespace'

Me and Reas aus Nürnberg bringen erneut ihren wunderschönen Indie-Pop in die heimischen Melancholieblasen. Mit ihrem sechsten Studioalbum „Bittersweet“ schaffen sie es erneut, ihre Hörer:innen in einen warmen Mantel zu packen und mal ganz fest zu umarmen.

Me and Reas stehen für entspannend treibenden Indie-Pop. Schon mit ihrer Single „Recommendation“ aus dem Jahr 2021 schafften sie es, so einige Menschen aus ihren Lockdown beschwerten Leben kurz in eine Welt aus Wärme und Melancholie zu führen. Nun steht mit „Bittersweet“ das passende Album im Regal und baut aus genau diesem Konstrukt eine ganze Welt der traurigen Wohlfühlmusik.

Sofort fallen die hoch angesehenen Featuregäste ins Auge. Hier Shoreline, da Matze Rossi und zwischendrin Austin Lucas. Das verspricht nicht nur Qualität, sondern auch Abwechslung, allein, da sich die genannten Künstler sowohl stimmlich als auch in ihrer grundsätzlichen musikalischen Stimmung unterscheiden. Direkt „All Your Love“ startet so, wie man sich das Intro eines Gute-Laune-Films vorstellt. Helle Töne, sehr temporeich und im Refrain wunderbar melodisch. Dazu die Stimme von Hansol (Shoreline) in nahezu perfekter Symbiose mit der von Sänger Andreas Jäger. Das schafft nicht nur Glücksgefühle, sondern hört sich dazu auch noch hervorragend an. Diese Gemütslage fällt aber hier nicht ab, sondern steigert sich relativ schnell weiter. Der Dreier aus „Confessions“, „Thirty“ und „The Journey (Revisited)“ stellt ein Bildnis der absoluten Genialität da. „Confessions“ als Ode an die Selbstreflexion mit der weichen Stimme von Austin Lucas. Matze Rossi singt mit seiner rauen Stimme in „Thirty“ ein paar Zeilen über Dinge, die lieber vergessen werden sollten. Dieser faded dann so gut in die Neuauflage ihres 2013 erschienenen Song „The Joruney“, dass sich der Gedanke einstellen könnte, es wäre immer noch dasselbe Lied. Unfassbar schön.

„Bittersweet“ schaltet ab hier ein paar Gänge zurück und es folgt mit „Alarm Clock“ der wohl schönste Track des ganzen Albums. Eine Indie-Midwest-Emo-Melodie, bei welcher sich das Gefühl einstellt, dass man ganz dringend einen Kamin und Kakao brauche. Generell ist dieser Part der Scheibe ein rührendes Stück aus Selbstzweifeln und Trauer. Einfach Musik zum Heulen, aber ziemlich gut gemeint. „Recommendation“ stellt dann den Gipfel dieses Intermezzos da. Der Song ist weiterhin ein Meilenstein der melancholischen Indie-Musik und hat schon fast einen Genregrößencharakter. Beinahe sollte er als das „Kein Liebeslied“ der Leute beschrieben werden, die mittlerweile zu alt sind, um Kraftklub zu hören. Allerdings würde das die Klangwelt dieses Liedes nicht mal ansatzweise beschreiben.

Mit Live-Versionen von „The Misjudgement“ und „The Felony“ enden Me and Reas dann noch auf einer bittersüßen (HA!) Sehnsuchtsnote, bevor das Album erneut von vorn beginnt und die Packung Taschentücher vollgeheult ist. Wirklich, zu diesem Album passt nur ein Wort, und das ist „rührend“. Vor allem in der momentanen Zeit ist „Bittersweet“ genau das, was aufgewühlte Gemüter, stressige Bahnfahrten und schlaflose Nächte brauchen, nämlich einen kurzen (oder langen) Moment der Ruhe.

Fazit

9
Wertung

Selten habe ich etwas so Gefühlvolles gehört. Me and Reas schaffen auf „Bittersweet“ nicht nur ihren Sound auf ein neues Level zu heben, sondern bezaubern mit der Kombination aus Texten, in welchen wir uns alle irgendwo wiederfinden, und wunderschönen Rhythmen, die selbst die schlimmste Erfahrung kurz erträglicher machen. Dieses Album ist rührend, wunderschön, aufwühlend und pure Sentimentalität. Ich weiß ja nicht, was ihr jetzt macht, aber ich brauch 'nen Kakao und muss mir auch mal eben die Nase putzen gehen.

Dave Mante