„Ein leichtes Herz“ gestaltet sich gekonnt repetitiv und kommt hierdurch umso eindrücklicher daher. Es ist auf viele Gegebenheiten anwendbar und kann, je nach Lesart, als Appell für globales Denken und Menschlichkeit verstanden werden. Dies passt zum kritischen Unterton, den „Naiß“ bereits auf den vorangegangen Songs ausgezeichnet hat. Der Titeltrack transportiert ein bedrohliches Szenario. Ignorante Klimawandelleugner, postfaktische Aluhüte und alle bequem sitzenden Zuschauer:innen dürfen sich angesprochen fühlen. Der Tod ist gleichmachend und offeriert Logenplätze für das Ende der Menschheit. Diese Wendung ist wenig überraschend, zeigt doch bereits der Opener melancholische, bedeutungsschwangere Vibes in direkter Erbfolge des Man in Black.
Demgegenüber hat das Rügener Urgestein Friedemann allerdings auch wahrhaftige Überraschungen auf seiner Kogge geladen. Wird das „Sommerende“ zutiefst wehmütig beschrieben, so klart sich die Stimmung trotz „Zerschlagenem Mund“ dann schnell wieder auf. Eine Geschichte, die Bonny & Clyde mit Stolz erfüllen würde. Sogar Ska-Anleihen („Ich Liebe Es Zu Wandern“) finden auf dieser Platte ein Zuhause. „Ich Mache Meinen Frieden“ ist letztlich musikgewordener Stoizismus, der zwischen den Zeilen reichlich Platz für Fantasien lässt. Ein gelungener, nur vordergründig friedvoller Abschluss.
Man kann „Naiß“ als kluge Bestandserfassung der westlichen Gefühlslage beschreiben, die sich nicht mit plakativen Kampfansagen begnügt, sondern Ambivalenzen aufzeigt und auf teils unangenehme Art und Weise erlebbar macht.