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FA!R und „FA!R“: Es geht auch anders!

FA!R sind im Sommer 2019 quasi aus dem Nichts auf der Bildfläche der Punkrockszene aufgetaucht, präsentieren auf ihrem nach der Band benannten Debütalbum aber bereits den Punkrock in seiner einfachsten und schönsten Form. "FA!R" ist ein Paradebeispiel dafür, wie ein durchdachtes und mit viel Herzblut aufgenommenes erstes Album klingen sollte.

Plötzlich tauchten sie im Internet auf: diverse Accounts einer Punkrockband namens FA!R. Ihre Künstlernamen sind Fusel, Ratte, Kotze und Schranze. Die vier Musiker führen auf ihrer Facebook-Page Vorbilder wie NOFX, Bad Religion, Blink 182, Green Day und Millencolin auf. Sie treten in ihren Videos, in den sozialen Medien und auch auf der Bühne mit schwarzen Sturmmasken auf, um ihre Herkunft und ihre Identitäten machen sie bewusst ein Rätsel. Auffällig viele Spuren von Punk, wohin das Auge des Betrachters ihrer Accounts blickt. Was im ersten Moment aussieht wie Masked Intruder durch den Schwarz-Weiß-Retrofilter, ist in der vertonten Form zum Glück um einiges spannender als die letzte Veröffentlichung der bunt maskierten US-Amerikaner.

Schon bei der Produktion der Platte scheint man im Hause FA!R an die jüngst zum erstem Mal stattgefundene Livepräsentation des Albums gedacht zu haben. „FA!R“ beginnt mit einem Mischmasch-Intro aus Elektroeinspielern und den ersten Akkorden des eigentlichen Openers „Nobody Cares“, welcher wie im Genre nicht ungewöhnlich keine zwei Minuten andauert, dafür aber von Anfang an alles gibt. Drei Akkorde, schneller und einfacher Beat sowie ein Text darüber, dass sich keiner für einen interessiert. Die Hörerschaft gegen den Rest der Welt. „Why Do You Care?“ dreht den Spieß dann um und versetzt sich in die Sicht der Gegenseite hinein. Drei perfekte Opener, sowohl auf Platte als auch auf der Bühne.

Die Themen auf „FA!R“ halten sich nachdenklich, selbstkritisch und manchmal ungewollt humorvoll. „Meat Is Murder“ hat eine Message zum Thema Fleischkonsum parat, „Get Yourself A Gun“ bedarf keiner Erklärung, reißt melodisch aber vor allem im Refrain bereits beim ersten Hören mit. FA!R gelingt dieses Mitreißen bei nahezu jedem Track. Hat man das Debütalbum der Jungs erstmal bei einer der Musik angepassten Lautstärke auf den Boxen, ertappt man sich schnell beim singen, schreien und im Falle von „Porn“ auch beim bemitleiden. Dass die Ex-Freundin sich in der Welt der USK-18-Filme einen Namen gemacht hat und man mit Liebeskummer in der ehemals gemeinsamen Wohnung hockt, wünscht man doch niemandem. Die zweite Strophe wird von Annie Lane aus der Sicht der Ex gesungen. Eine gute Idee auf einem der ungewollt auch ziemlich lustigen Tracks.

Auch dass FA!R ihre Texte gesanglicher als das undeutliche Brüllen mancher Kollegen ausgestalten, gibt dem ansonsten rein instrumental eher auf Krawall ausgelegten Punkrock der Band durch eine markante Gesangsstimme einen eigenen Sound, der besonders bei „Creep“ zum Vorschein kommt. Klarer Gesang, der bei zunehmender Lautstärke auch ins Kratzige abdriftet, definiert diesen eigenen Sound am deutlichsten.

Neun eigene Songs stehen auf „FA!R“ dem In- und Outro sowie dem „All Star“-Cover von Smash Mouth entgegen. Ein Cover, welches dem Unwissenden zwischen den eigenen Titeln der Band nicht auffällt. Das nicht allzu ernstzunehmende Outro macht alle vorher gehörten melancholischen Worte vergessen und wird auch nach einem Konzert von FA!R die Gäste mit einem dicken Grinsen in die Nacht entlassen. Das ist so sicher wie... ihr wisst schon. Hinter den von FA!R selbst aufgeführten Vorbildern braucht sich das Quartett mit diesem Debütalbum jedenfalls nicht zu verstecken.

Fazit

8
Wertung

Guter Punkrock kann so einfach sein! FA!R haben von ihren Vorbildern gelernt, worauf es ankommt. Dabei schaffen sie vor allem durch den Gesang ein markantes Unterscheidungsmerkmal, um ihrer Musik ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Die anderen machen das, was sie am besten können und was man von ihnen erwartet: schnelle, laute, deftige Punkmusik!

Mark Schneider
6.7
Wertung

Fäden über Fäden werden zu einem einsteigerfreundlichen, aber äußerst gefälligen Strickmuster verwoben. Kein Nadelstich verfehlt sein Ziel und das fertige Produkt dürfte so manchen Waschgang (alias Hördurchgang) unbeschadet überstehen. Hier läuft auch bei hohen Temperaturen nichts ein.

Marco Kampe