Im Jahr 2015 ging auf Youtube ein Video viral, in dem zwei bekiffte Musiker Reiswaffeln futterten und mit einer Loop-Station im Gepäck die Simplizität eines Alt-J-Songs unter Beweis stellen wollten. So grandios witzig der Clip auch war, als so falsch erwies er sich doch allerspätestens mit dem dritten Album „Relaxer“, das zwei Jahre später erschien. Das Trio demonstrierte dort ein wirklich beeindruckendes Konglomerat an stilistischen Gratwanderungen. Der Mut zum Beispiel, ein Album mit dem bis zur Ekstase zelebrierten Minimalismus von „3WW“ zu eröffnen, gehört noch heute zu den pointiertesten Demonstrationen der eigenen Künstler-Identität im abgelaufenen Popkultur-Jahrzehnt – vor allem, weil sich auf der selben Platte noch ein orchestrales Epos wie „Adeline“ oder das etwas widerspenstig tönende „Hit Me Like That Snare“ anreihte. Alt-J konnten den Kontrast zwischen Klein und Groß sogar im einzelnen Song, „In Cold Blood“ brachte in einer einzigen Komposition in den Abbey Road Studios aufgenommene Blechbläser zusammen mit einem Keyboard unter, das die Band für einen Pfund auf Ebay gekauft hatte.
Das Motto von „The Dream“ lautet nun fünf Jahre später wieder etwas mehr Kohärenz. Alt-J haben die schillernden Chor-Loops ihrer ersten zwei Alben endgültig abgelegt und auf ihrer vierten Platte eine etwas sperrigere Ästhetik gefunden. Gitarren und Stimmen klingen immer im gerade richtigen Maße ein wenig scheppernd, große instrumentale Arrangements weichen zumeist einer reduzierteren Besetzung. Das ist in der Grundlage im Jahr 2022 ein bemerkenswerter Schritt, weil Alt-J damit belegen, wie stark sie tatsächlich auf das Medium Album fokussiert sind – noch nie war es ja kommerziell so einfach oder sogar erwünscht, ein klanglich unzusammenhängendes Gemisch an Einzeltracks zu veröffentlichen wie in der momentanen Gegenwart. „The Dream“ hat dadurch viele Argumente für seine Qualität als Gesamtwerk – und kann über lange Strecken doch nicht ganz die Klasse der Vorgänger halten.