Alt-J und „Reduxer“: Strg-F, Strg-H

Die Betrachtung von „Reduxer“ wird besonders deswegen problematisch, weil man sich zunächst von einem Etikettenschwindel lösen muss.

Dieser liegt vor allem im Interpreten begründet, denn Alt-J treten auf der Remix-Fassung ihrer dritten Platte eigentlich kaum zum Vorschein. Im Vordergrund stehen vielmehr die zahlreichen Gastkünstler, die die Songs der Indie-Pop-Heroen zu verkopften Hip-Hop-Songs umarbeiten. Das wird zunächst nicht etwa aufgrund etwaiger Komplexität der Tracks zu harter Kost, sondern vor allem, weil die musikalischen Grundlagen des Meisterwerks „Relaxer“ im Fragmentarischen zu suchen sind. Oft weichen die raffinierten Melodien des Trios klirrenden Beats, die das vorhandene Material fast vollständig verdrängen und die Originalsongs nur noch in einzelnen melodischen Motiven aufgreifen. Dadurch kommt niemand weit, der eine Relation zwischen „Relaxer“ und „Reduxer“ sucht – vielleicht wäre das aber auch gar nicht die richtige Herangehensweise an diese Platte.

Man mag das sehr lose Verhältnis zwischen diesem Album und seiner Vorlage bewerten wie man möchte, für sich genommen beherbergen die Songs auf „Reduxer“ aber durchaus ihre eigenen Reize. Zweifelloses Highlight ist die „Deadcrush“-Version von Rap-Erneuerer Danny Brown, die mit einem epischen Space-Beat zwar nicht die Größe eines „Atrocity Exhibition“ erreicht, aber an dessen Qualitäten zweifelsohne anknüpft. Ähnlich spannend ist die „3WW“-Version mit Little Simz, die die maximal minimale Ballade der Ursprungsplatte zu einem abstrahierten Street-Drama umarbeitet. Berliner Rapper Kontra K hält sich wiederum verhältnismäßig genau an „In Cold Blood“ und ergänzt den Song mit seinen Versen zu einem Marteria-breiten Gefälligkeitsgefühl.

„Reduxer“ hat dabei trotzdem mit den Problemen zu kämpfen, die derartige Projekte fast immer mit sich tragen. Die Platte wirkt durch ihre zahlreichen Beteiligungen nicht wie aus einem Guss, sondern wie eine unzusammenhängende Compilation. Dazu trägt auch bei, dass einige Songs gleich mehrfach überarbeitet wurden und diese zusätzlichen Versionen durch ihre wahllose Aneinanderreihung hinter der eigentlichen Album-Tracklist nicht als kluge motivische Kontinuität wahrgenommen werden können, sondern als pure Materialneuverwertung interpretiert werden müssen. So interessant die Beiträge mancher Künstler daher auch sein mögen: „Reduxer“ macht es einem schwer, in seine Welt wirklich einzutauchen. Für die Spotify-Playlist-Generation ist diese Platte aber vielleicht genau das Richtige.

Fazit

6.4
Wertung

Wer hier eine Alt-J Platte erwartet, der kann nur enttäuscht werden. Wer auf „Reduxer“ ein spannendes Rap-Album hören möchte, der wird stellenweise durchaus befriedigt. Für eine wirkliche Großtat fehlt dieser Platte aber der allumfassende Zusammenhang.

Jakob Uhlig