Die Band Turbonegro aus Oslo feiert aktuell ihr dreißigjähriges Bandjubiläum. Seit jeher provozieren die Norweger die vom Black-Metal geprägte norwegische Musikszene und den Rest der Welt mit ihrem nach außen dargestellten, scheinbar homosexuellen Auftreten. Nach der ersten Auflösung der Gruppe im Jahr 1998 aufgrund der Drogenprobleme von Sänger Hank von Helvete und der Reunion im Jahr 2002 folgten weitere Zu- und Abgänge von Musikern. Auch vor Hanks Zeit wurde im Lineup der Norweger ordentlich rotiert und für das im Jahr 2018 erschienene Studioalbum „Rocknroll Machine“ benötigte die Band sechs Jahre. Der Vorgänger „Sexual Harassment“ aus dem Jahr 2012 erschien ebenfalls ganze fünf Jahre nach „Retox“, der letzten Platte mit dem von 1993 bis 2010 bei Turbonegro aktiven Hank. Mit den Veränderungen in der Besetzung verändert sich immer auch der Sound und fünf oder sechs Jahre zwischen zwei Veröffentlichungen sind eine verdammt lange Zeit. Während Turbonegro sich in den letzten drei Jahrzehnten in Sachen Konstanz in allen Hinsichten schwer getan haben, wächst das Phänomen Turbojugend kontinuierlich weiter und überlebt all das, ohne mit der Wimper zu zucken.
Die Geburtsstunde dieser „Turbojugend“ klingt fast zu romantisch, um wirklich wahr zu sein: Bela B., Schlagzeuger der Ärzte und eines der prominentesten Mitglieder der Turbojugend, soll bei der Grundsteinlegung im Jahr 1996 seine Finger im Spiel gehabt haben. Turbonegro spielten damals ein Konzert im Clubhaus des FC St. Pauli. Bela B. soll zu diesem Konzert Aufnäher mit der Aufschrift „TJ St. Pauli“ anfertigen lassen und diese vor Ort verteilt haben. In diesem Moment war der Kult Turbojugend geboren, auch wenn es damals wohl noch keiner ahnte. Die Turbojugend als solche entstand in der Zeit im Anschluss aus verschiedenen Turbonegro-Fanclubs. Im Jahr 1999 erwarb das Label Blitzcore Records diverse Rechte an Turbonegro und ließ eine limitierte Anzahl an Jeans-Jacken mit der Aufschrift „Turbojugend St. Pauli“ besticken. Die Band war zu diesem Zeitpunkt bereits aufgelöst. Lange Rede, kurzer Sinn: Die bestickten Jacken mit St. Pauli-Bestickung wurden immer begehrter, sodass mit der Produktion mit verschiedenen Städtenamen auf dem Rücken der Jacken begonnen wurde.
Heutzutage ist die Kutte DAS Erkennungszeichen der Mitglieder der Turbojugend. Jedes der mittlerweile über 2000 Chapter, das sind die lokalen Gruppen der Jugend, bestickt ihre Jacken mit dem eigenen Namen. Eine Weltkarte mit der Übersicht über alle Chapters dieser Erde findet man hier. Eine Turbojugend kann nach einer Stadt benannt sein, aber auch lediglich nach einem Bezirk oder sogar nur einer Bar. Im Internet liest man von mittlerweile über 20.000 Mitgliedern weltweit. Jedes der Mitglieder denkt sich einen sogenannten „Warrior Name“ aus, der den echten Namen innerhalb der Bewegung ersetzt. Bezüglich der Kutte gibt es einfache, festgelegte Regeln. So darf diese nicht gewaschen werden, es sei denn, die Kutte kommt in Berührung mit Erbrochenem. Eine weitere Regel ist, dass keine Patches von Motorradclubs angebracht werden dürfen. Das gibt nur Ärger. Als politische Gruppe sieht sich die Turbojugend nicht, distanziert sich aber klar von rassistischem und faschistischem Gedankengut.