Kolumne

Hinjehört un Opjepass: Kölnisches Kulturgut

Sobald das Wort Köln in einer Konversation fällt, denken alle Beteiligten vermutlich sofort an Karneval, den Dom und das (zu Unrecht in Verruf geratene) beste Bier der Welt: das Kölsch. Doch gibt es mehr dazu als nur die bösen Vorurteile. Lässt man das Ganze mal auf sich wirken, könnte es eine Bereicherung sein.

Stolz sagt der Kölner: “Kölsch, dat is die einzige Mundart, die man auch trinken kann”. Sprechen, trinken, singen - geht alles super Hand in Hand. Gerade deswegen ist es oberstes Kulturgut der Kölner*innen, welches eine lange Historie pflegt und bis heute zugegen ist. Das manifestiert sich im Kölner Karneval (der einzig vertretbare Karneval neben dem Brasilianischen) alljährlich vom 11.11. bis Aschermittwoch im Februar. Kurze Geschichtsstunde: Der Karneval hat seinen Ursprung zu Zeiten des Mittelalters und ist seitdem aus der Stadt nicht mehr wegzudenken. Er war eine Auflehnung gegen Kirche und Staat und eine Persiflage gegen das Militär als solches. Bis heute ist diese Tradition am Leben und ist der Grund, weshalb die Karnevalsgesellschaften wie zum Beispiel die Prinzengarde eine Uniform trägt, die an das 17.-19. Jahrhundert angelehnt ist und auch eine Hierarchie in Ihren Rängen herrscht. Zu den Umzügen durch die Kölner Innenstadt bringen Sie Musik, Tanz, Kamelle und Strüßje in die Stadt. Entweder als Blaskapelle, berittene Staffel oder Fußvolk, haben die Umziehenden Rosen in den Läufen ihrer replizierten Gewehre und haben ebenso viel Freude an den Festivitäten wie das Publikum am Rande der Straßen. Seither hat sich der Karneval als wichtigstes Kölsches Kulturgut manifestiert und wurde von allen Generationen gefeiert. 

Entscheidend hierfür: die Karnevalsmusik bzw. die Kölsche bzw. Kölnische Musik. Oftmals werden diese Begriffe gleichgesetzt und auch wenn sie Hand in Hand gehen gibt es da doch einen kleinen Unterschied. Die Karnevalslieder sind dazu komponiert (worden), um das Leben zu feiern, in der Kneipe noch die nächste Runde zu bestellen und das Leben zu leben. Die Kölsche Musik kann man Künstler*innen und Bands wie Willi Ostermann, Willy Millowitsch oder in moderneren Zeiten zu großen Teilen den Bläck Föös zuschreiben (zu dieser Band in einem späteren Artikel mehr). Nimmt man Beispielsweise den Titel “Och wat wor dat fröher schön doch in Colonia” von Ostermann, so erzählt dieses Lied noch im nostalgischen Ton die schönen vergangenen Tage, die man in Köln erlebt hat. Alltagsszenen, die zu wichtigen Erinnerungen werden, Szenen von Paaren, die unbeschwert ihre schönsten Tage in der Domstadt erleben. Egal, ob man nun aus Köln oder einem anderen Teil Deutschlands kommt, so ist dieses Lied vor allem eins: schön und nostalgisch. Bei den Kölner*innen löst es einen tiefes Heimatgefühl aus. 

Och wat wor dat fröher schön doch en Colonia
Wann der Franz mem Nies nom ahle Kohberg ging
Wann d'r Pitter Ärm en Ärm mem Apollonia
Stell vergnög om Heinweg ahn zu knuutsche fing” 

Übersetzt heißt das Ganze soviel wie: 

"Ach, was war das früher schon hier in Köln
Als der Franz mit Agnes zum “Ahle Kohberg” ging
Als der Peter Arm in Arm mit der Apollonia
Still, vergnügt auf dem Heimweg anfing zu knutschen."

 

Das gute Leben wird revue passiert. Alltagsszenen, die jede*r kennt, gekoppelt mit der ständigen Veränderung der Stadt. Das Heimische und zeitgleich der Wandel der Stadt wird unterstrichen von dem Charme des Klaviersatzes und dem Streicher im Kontrast zum gesungenen Text. Kein Wunder also, dass dieses Lied vor allem in der älteren Kölner Generation Bedeutung hat und es sogar heutzutage noch von vereinzelten Jecken jeder Altersgruppe gesungen wird. Einige weniger bekannte Titel von Ostermann aus der Zeit wie zum Beispiel “Däm Schmitz sing Frau ess durchgebrannt”, “Die Höhnerfarm vum Zilla” oder “Ober! Schnell noch eine Runde her” erzählen weitere witzige Alltagsgeschichten oder sind gar Kabarett. Die Musik ist leichte, unbeschwerte Kost mit viel Humor und einem Augenzwinkern in den Kompositionen. “Die Höhnerfarm vum Zilla” zum Beispiel hat einen wirklich süßen Text. 

“Dem Zilla singe allerneuste Schwarm, dat is in Sülz sing Höhnerfarm. Mit 15 Höhner fing et an, op jedes dritte kütt ene Hahn. Putt putt putt, Kickerie, wat will der Zill noh mie”. Bis hierhin sind hoffentlich genug Grundkenntnisse vorhanden, um zu entziffern, was gemeint ist. Für den nötigen Dopaminschub bei Down-Phasen ist dieses Lied sehr zu empfehlen. Diese Art Lieder vermochten es schon damals, die Stimmung ohne viel Aufwand etwas zu heben; harmlose, witzige und zugleich gute Musik. Für die Menschen dieser Zeit sicherlich Goldstücke in ihrem Alltag. 

Zu Zeiten Capones wurden die Amerikaner in Köln nicht beneidet. Was auf dem weit entfernten Kontinent hinter verschlossenen Türen erlebt werden musste, würde in Köln nie in Frage kommen. Mit “Ober! Schnell noch eine Runde her” gelingt dem Kölner Laien rasch der Einstieg in das Kölner Kneipenleben und ist zugleich ein Zeitzeugnis mit Charme. 

Ober! Schnell noch eine Runde her!
Ober! Schnell die Gläser werden leer!
Trinken lasst uns eh dass uns bedroht
Genau wie in Amerika das Alkoholverbot”

Diese angesprochenen Art Lieder wird leider nicht mehr in Kneipen gesungen oder gespielt, doch hilft sie zu verstehen, auf welcher Grundlage der heutige Karneval fußt. Die Instrumentierung, Kompositionen und Genres ändern sich, die Zugehörigkeit zur Stadt und die Kölsche Leichtigkeit nicht. Sei es das Kölsche Grundgesetz, das immer frische und erschwingliche, leckere Kölsch oder die charmante Musik; der Rheinländer an sich ist ja ne Hätzliche und der Kölner erst recht. Zwei der schönsten Kölschen Grundsätze sind wohl Paragraph 3: “Et hät noh immer jot jejange” und Paragraph 10: “Drinkste eine met?” Lädt man nun zum Beispiel einen Fremden zu einer Runde ein, kommt mit ihm ins Gespräch und ist dieser zahlungsunfähig, ist das überhaupt kein Problem. Denn, so sagten die Bläck Föös “Häste och kei Jeld, Dat es janz ejal. Drink doch met un kümmer disch net drüm”.

In diesem Sinne steckt die Kölner Seel in der unbeschwerten Musik in den Klängen der Generationen und in dem Brauchtum, das es erlaubt, für einige Zeit aus den Zwängen des Alltags zu entfliehen und sich ganz frei zu fühlen, zu schunkeln und zu feiern, mit jet ze süffele un ze müffele. Diese Einstellung findet man bei vielen Kölnern, es ist also immer von Vorteil, einen Kölner oder eine Kölnerin im Freundeskreis zu wissen.