Unter dem Radar

Unter dem Radar #32: Goldzilla

Repariert, was euch repariert hat: In dieser Ausgabe von Unter dem Radar spricht die Berliner Band Goldzilla darüber, warum Zugfahren und Deutschpunk kacke sind und warum sie beides trotzdem selbst machen.

Heimat: Berlin

Genre: Deutschpunk, Dreampop

Bisher veröffentlicht: "Goldzilla vs Robohitler" (2019)

Für Fans von: Deutsche Laichen, Todeskommando Atomsturm

Goldzilla machen nach eigener Aussage Deutschpunk und Dreampop – und legen Wert darauf, dass das nicht ironisch gemeint ist: „Das glaubt uns immer niemand, aber wir meinen das absolut ernst“, bekräftigt Bassist und Sänger Köter. Mit Motte (Gesang, Gitarre) und Kotze (Schlagzeug, Synthie) spielt er seit 2018 zusammen. Und alle drei scheinen nach Schülerbands, Prog-Rock-Projekten und Gruppen, in denen alle Gitarre spielen wollten, endlich die richtigen Mitmusiker gefunden zu haben.

Motte erzählt: „Wir drei können uns hundertprozentig aufeinander verlassen, das haben wir uns gegenseitig mehr als einmal bewiesen, aber es fällt uns schwer, uns auf andere zu verlassen.“ Und das gilt auch für Menschen, die einen Bandbus fahren könnten. Deshalb kauften sie sich kurzerhand ein Flightcase und einen Rollwagen und beschlossen, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu Konzerten zu fahren. Die Bilanz: „Wir haben sie alle benutzt und wir können sagen, die sind alle scheiße. Und Flugzeug ist zu teuer. Wir hassen aber auch Flugzeuge. Wir hassen alles, was den öffentlichen Personennahverkehr betrifft. Aber wir haben halt auch keinen Führerschein.“

Dementsprechend können Goldzilla auch einige lustige Geschichten erzählen. Zum Beispiel davon, dass sich das ICE-Bordbistro nicht als Schlafwagen eignet und dass es einem auch irgendwann nichts mehr ausmacht, wenn das Abteil unter Wasser steht. „Ich merke, dass ich das so nostalgisch für mich aufhübsche. Eigentlich ist das total ätzend, aber mittlerweile denk ich mir, ich würde gern mal wieder 13 Stunden verkatert durch die Gegend fahren“, stellt Kotze fest. Aber wenn man mit einem schweren Wagen voller Equipment umsteigen muss, merkt man auch, wo die Bahn noch nachbessern muss: „Goldzilla setzt sich für die Barrierefreiheit an Bahnhöfen ein. Gerade auf Käffern, wenn da der Fahrstuhl nicht geht. Was machst du da als Rollstuhlfahrer*in? Fährst du zum nächsten Ort, mit dem Taxi, wo du auch nicht reinkommst? Einerseits quatschen wir da gerne drüber, weil es viele lustige Geschichten gibt, andererseits haben wir gar keinen Bock auf so eine Fridays-For-Future-anmutende Zug-Werbung.“

Aber nicht nur die Logistik, auch die Promotion bleibt bei Goldzilla in der eigenen Hand. Die Debüt-EP „Goldzilla vs. Robohitler“ wurde auf insgesamt 161 selbst bemalte und verzierte Kassetten kopiert. Eine Anzahl davon landete in selbst gefalteten und befüllten Promoboxen direkt in den Briefkästen diverser Magazine und Fanzines. Auch in der Album-der-Woche-Redaktion erinnert man sich immer noch daran. Zur Motivation dieser DIY-Aktion erzählt Köter: „Uns kannte ja kein Schwein. Und dann dachten wir, okay, jetzt machen wir eine richtig geile EP und sorgen dafür, dass sie Wellen schlägt. Und wir wurden dann auch richtig viel besprochen. Für eine unbekannte Pups-Band ist das schon toll.“ Aber meisten überrascht ihn etwas anderes: „Es gibt tatsächlich Leute, die die Kassetten hören, das finde ich wild.“

Für die Mitte des Jahres steht auch schon die nächste Veröffentlichung an: Ein ganzes Album mit 17 Tracks ist es diesmal geworden, einige davon mit Feature-Gästen, zum Beispiel die Sängerin der befreundeten Band ROi!m- & StrOi!-FahrzOi!ge. „Wir haben aber sehr bewusst keine cis Dudes angefragt für das Album“. Und es ist auch kein Corona-Album geworden: „Corona-Alben sind scheiße.“ Genauso wie Corona-Konzerte: „Wir haben ein Livestream-Konzert gespielt und einmal draußen auf einer Demo, aber nicht indoors, weil wir das unverantwortlich und beschissen finden von allen Bands, die sonst immer Soli, Soli, Soli labern, sich dann aber in kleinsten Konzerträumen anspucken. Das fanden wir nicht fair, das geht auf die Schwächsten und plötzlich ist die Tour dann wichtiger.“

Überhaupt fremdeln Goldzilla oft mit der Punk-Szene: „Was uns halt aufstößt, ist, wenn du sagst, du bist so punk und so alternativ. Aber dann machst du das gleiche, was gesamtgesellschaftlich auch funktioniert und akzeptiert ist. Wenn du jetzt sagst, du machst eine Punkband, aber dann besteht die nur aus Männern und die singen alle nur sexistische Kackscheiße, dann machst du keinen Punk.“ Aber bloß kacke finden ist zu einfach, glaubt Kotze: „Punk, mit allem Sexismus und allen Problemen hat uns ja in unserer Jugend was gebracht. Und das wollen wir jetzt nicht einfach wegwerfen. Vielleicht kann man es so sagen: Nur gegen Nazis sein reicht nicht.“ Deshalb ist das Ziel von Goldzilla auch das, was Köter zum Abschluss des Gesprächs sagt: „Wenn wir schon nicht ganz Deutschpunk reparieren, dann schaffen wir wenigstens ein paar Konzerte, auf denen man sich kurz einbilden kann, dass es besser ist“.