Die Referenzen Idles und Messer zeigen in diesem Zusammenhang einen interessanten Dualismus auf: Obwohl beide Bands recht einig mit dem Label „Post-Punk“ betitelt werden, zeigt der Sound beider Acts doch in deutlich unterschiedliche Richtungen. Beide haben die monotonen und pulsierenden Rhythmen und Basslinien gemein, aber Idles werfen sich mit ihren zerstörerisch-dreckigen Gitarrenriffs viel mehr in die Bresche des urtümlichen Punks, während Messer mit ihren vertrackten Erzählungen eher die experimentelle Soundschicht suchen. Das Max zusätzlich noch Fjørt mit ihrem großflächigen Post-Hardcore-Wagemut in den Ring wirft, ist eigentlich eine ziemlich gute Zusammenfassung vom Knife-Eyes-Sound. Die Band beherrscht das Hymnische ebenso wie das Reduzierte, das manisch Pulsierende ebenso wie das zügellos Ausbrechende – eine Art taumelnder Konsens der aktuell spannendsten Gitarren-Undergrounds.
Auf vier Songs ist diese Gratwanderung bisher zu hören. Die erste Knife-Eyes-EP trägt den Titel „Gewirr“ und kommentiert damit nicht nur die lyrischen Themen des Werks, sondern auch die Zusammensetzung des Sounds. „Wir haben öfter das Feedback bekommen, das unsere erste EP schon gut ist, man aber merkt, dass wir uns aktuell noch in der Findungsphase befinden“, berichtet Lorenz. „Das ist aber OK so und ich denke auch völlig normal. Es ist wohl eher die Ausnahme, wenn eine Band gleich beim ersten Mal eine perfekte und komplett runde Platte veröffentlicht. Von daher kann man in dieser Richtung den Namen auch aufgreifen – da kommen wir her, da stehen wir aktuell.“ „Letztendlich ist das ‚Gewirr‘ die Stimmung, die auf der EP auf mehreren Ebenen entstanden ist – von den Lyrics über die Musik bis hin zum Entstehungsprozess“, ergänzt Max.
Gerade wegen dieser leichten Unbestimmtheit vermag „Gewirr“ aber, seine besonderen Vorzüge zu entfalten. Das klangliche Spiel mit dem Feuer gelingt Knife Eyes so gut, weil es immer nur dann entfacht wird, wenn es der Sound förmlich fordert. Die Band ist so vielleicht das Bindeglied, das ihrer Stuttgarter Szene bisweilen zu fehlen scheint. „Die Hardcore- und Metalcore-Szene ist hier ziemlich lebhaft“, meint Lorenz. „Da gibt es das Jugendhaus, in dem wir proben. Hier finden auch regelmäßig Konzerte statt, da kommen auch Bands aus Übersee. Diese Post-Punk-Szene scheint da noch etwas mehr Underground zu sein. Ich habe das Gefühl, dass es da schwieriger ist, einen Fuß in die Tür zu bekommen.“
Zur Verbreitung ihres ersten Werks haben Knife Eyes durchaus ungewöhnliche Wege gewählt. Standesgemäß gibt es „Gewirr“ natürlich auf allen digitalen Plattformen – aber eben auch auf Kassette und Floppy Disk. Letztere Version der EP enthält 8-Bit-Versionen der Songs. „Auf Floppys passt ja so gut wie nichts drauf, egal wie sehr du es komprimierst“, erläutert Lorenz den Gedanken dahinter. „Gut, irgendwie geht das wahrscheinlich schon, aber dann hörst du halt nichts mehr. Ich hätte nie damit gerechnet, dass überhaupt noch irgendjemand einen Computer hat, mit dem er sowas auslesen kann. Dann hat uns aber tatsächlich mal jemand angeschrieben, der uns sagte, er hätte die Diskette gern verwendet, aber sie sei kaputt gewesen. (lacht) Wir dachten uns: Das kann jetzt echt nicht wahr sein. Bei der wahrscheinlich einzigen Person, die das überhaupt versucht hat, ist die Diskette kaputt. Wir haben dann nochmal eine geschickt.“
Für die kommende Zeit haben Knife Eyes bereits eine neue Platte geplant. Ursprünglich wäre für April eine Aufnahmesession geplant gewesen, die Band aus bekannten Gründen aber zunächst auf Eis legen musste. Die Songs laufen aber nicht davon und man darf gespannt sein, wo der Sound von Knife Eyes in Zukunft Heim finden wird. In jedem Fall wird der deutsche Underground wohl zufrieden lächeln.