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Teen Jesus And The Jean Teasers und I Love You: Von toxischen Beziehungen und ihrer Befreiung

Mit ihrem Debüt “I Love You” macht sich die australische Pop-Punk-Band Teen Jesus And The Jean Teasers auf den Weg, das entfernte Europa zu erobern. Durch den frischen, gitarrenlastigen und genreübergreifenden Sound, der sich der 90er Jahre bedient, und Lyrics, die so offen und aus dem Leben der Bandmitglieder gegriffen sind, hat die Band ein authentisches und ehrliches Album geschaffen.

In Australien sind die vier Musikerinnen keine Unbekannten mehr. Trotz ihrer überschaubaren Veröffentlichungen konnten sie sich durch Live-Auftritte in ihrer Heimat einen Namen machen und sind fest in der Musikszene Canberras verwurzelt. So wundert es nicht, dass das Album bereits in der ersten Woche auf Platz Sechs der australischen Charts stürmte.

Ihr frischer Grunge-Garage-Pop mit Indie-Rock-Anleihen ist demnach live erprobt und typisch für die örtliche Szene. Auch im ersten Longplayer setzen die Vier diesen Sound um.

Der Stil der Band ist abwechslungsreich, die Gitarre Scarlett McKaheys mäandert zwischen Indie-Rock und Grunge, greift Popelemente auf und ist sich nicht zu schade, die emotionale Bedeutung eines Songs auch durch Akustikgitarren zu unterstreichen. Die verzerrte Gitarre kommt in der Regel dann zum Einsatz, wenn deutlich wird, dass Teen Jesus And The Jean Teasers erkennen, in welche Lage sie sich in ihrem Leben manövriert haben oder wurden. Dann nehmen die Instrumente Fahrt auf, lösen die eher sanften und verzweifelten Parts, mit denen die Songs starten ab, als ob sie diese toxischen Beziehungen, Lebensumstände und Katastrophen vertreiben wollen. Drums (Neve van Boxsel) und Bassgitarren (Jaida Stephenson) stützen die Gitarren. Anna Ryan übernimmt in vielen Songs den Hauptgesang, aber gerade die Refrains sind geprägt vom Harmoniegesang aller. Die Aussagen der einzelnen Songs sind für jedes einzelne Bandmitglied bedeutungsvoll.

Teen Jesus And The Jean Teasers besingen die Probleme junger Menschen und Frauen und dies auch überwiegend autobiografisch. Die Songs handeln von Versagensängsten, vom Verlorensein komplizierter Liebe, Missbrauch und immer wieder stellen sie ihre eigene Beziehungsfähigkeit in Frage.

Gleich der erste Song „I Used To Be Fun“ macht deutlich, wie mensch sich durch Trägheit verändert. Und es folgen Songs („I Love You“, „Treat Me Better“, „Your House My House“), deren Lyrics Beziehungen hinterfragen, Abhängigkeiten von Menschen offenbaren und ermutigen, einen Ausweg aus diesen Situationen zu finden. „Lights Out“ verdeutlicht, dass die Band das Bewusstsein erlangt hat, in den Bars und Clubs all die Misogynie der Männer im Publikum auszublenden und sich bewusst zu sein, dass ihre Sexualität nur ihnen gehört.

Der Song „Never Saw It Coming“ sticht aus diesem autobiografischen Texten besonders hervor. Nicht nur, dass dies Schlagzeugerin Neve van Boxsels erster geschriebener und gesungener Song ist. Sie fasst vielmehr Mut und verarbeitet die sexuellen Übergriffe, die sie erleiden musste. Behutsam mit reduzierter Instrumentierung singt sie zerbrechlich und mit schmerzhafter Erinnerung vom Missbrauch.

Das Debüt endet nach 37 viel zu kurzen Minuten mit „Kissey, Kissey“, der noch einmal sämtliches Beziehungsgift aus den vier Musikerinnen spült und das Album mit fröhlichem, verspieltem und euphorisiertem Gesang und einem „I love you“ ausklingen lässt.

Dem Release folgt nun die Albumtour durch Australien. Im Dezember werden die vier Musikerinnen für die Foo Fighters in Brisbane eröffnen, eine Ehre, die sie bis heute nicht begreifen können. Im Januar geht es dann gen Europa. Bislang stehen aber leider keine Termine für deutsche Konzertlocations an, da müsste mensch schon nach England fahren.

Diskografie

2021: Pretty Good For A Girl Band (EP)

Fazit

8.2
Wertung

Es ist häufig dem Zufall geschuldet, unbekannte Bands aus Down Under zu entdecken. Teen Jesus And The Jean Teasers haben es mit ihrem Debüt "I Love You" geschafft, in meinen Fokus zu gelangen... und haben mich überzeugt! Der Sound verbindet Grunge, Pop, Punk und Indie Rock - eine Genrevielfalt, die in der Spielweise der Instrumente völlig harmoniert. Die Lyrics, die so offen und authentisch autobiografisch sind, spiegeln das Leben und die Sorgen, Ängste und Verletzlichkeiten der vier Musikerinnen wider, und können so zur Blaupause vieler junger Frauen werden. Kurzum: Starke Menschen, starker Sound, starke Lyrics!

Frank Diedrichs