Wer Polyphias „New Levels New Devils“ 2018 in voller Tiefe durchstiegen hatte, der konnte nicht ganz zu Unrecht dazu verleitet sein, hier von einer geradezu historischen Zäsur für gitarrenzentriete Musik zu sprechen, denn so Vieles an diesem Projekt war derartig unwahrscheinlich. Plötzlich gab es da eine Band, die Instrumentalmusik abseits von Lofi-Lernplaylists und Ludovico Einaudi machte, die eine breite Masse an Menschen wertschätzte. Polyphia schrieben Songs, die in Anlehnung an das laufende Hip-Hop-Zeitalter auf Beats und Samples basierten und von denen Mastermind Tim Henson erklärte, sie wären zum Beispiel sehr komplexe Dekonstruktionen eines Jaden-Smith-Songs. „New Levels New Devils“ versammelte in seinen Tracks die abgefahrensten Progressive-Melodieabenteuer, die es auf irgendeine unerklärliche Art und Weise dennoch fertigbrachten, derartig catchy zu sein, dass sich eine riesige Gemeinde junger Instrumentalist:innen kollektiv die Finger brach, während sie versuchten, „G.O.A.T.“ nachzuspielen. Kurz: Polyphia hatten die Gitarre und Instrumentalmusik generell derartig neu und gleichzeitig so gnadenlos zeitgenössisch gedacht, dass sich eigentlich alles Vergleichbare zukünftig daran messen lassen müsste.
Eine richtiggehende musikalische Zäsur über den Kosmos der Band hinaus einzuleiten blieb „New Levels New Devils“ dennoch vorenthalten, wohl auch, weil es auf der Welt mit Sicherheit nicht viele Musiker:innen gibt, die dem technischen Niveau von Henson und seinen Mitstreitern auch nur ansatzweise das Wasser reichen können. Und doch hat der Nachfolger „Remember That You Will Die“ die große Aufgabe, in die Fußstapfen eines Meilensteins zu treten. Polyphia lösen diese Aufgabe einerseits, indem sie mehr vom Gleichen anbieten und dabei immer wieder aufhorchen lassen, dass das Grundrezept des letzten Albums noch lange nicht auserzählt ist. Es ist bemerkenswert, dass es dieser Band gelingt, mit „Playing God“ einen instrumentalen Track abzuliefern, der alle Qualitätskriterien für einen der Hits des Jahres einlösen kann. Vor allem zeigt die Band hier etwas, was sie über den Lauf ihrer neuen Platte immer wieder demonstriert: Es ist gerade der Einfluss neuer Klangfarben, der beim Erschließen neuer Varianzen hilft. So beherbergt ebenjene erste Single der Platte zum Beispiel mittendrin einen Bossa-Nova-Part, in dem sich die Band im Dienste des Sounds angenehm zurücknimmt – erstaunlich, wie mühelos sich dieser Akzent in das Gesamtwerk einzuordnen weiß. Wie selbstsicher Polyphia sich in ihrem ganz eigenen Kosmos bewegen, wird schon im Intro der neuen Platte dar, das als Eigenzementierung ein Selbstzitat aus dem Intro des Vorgängers enthält.