Reviews

Pogendroblem und "Alles was ich noch hab sind meine Kompetenzen": Die eigene Reihe

Pogendroblem machen Punk alter Schule gegen neue Probleme und brillieren dabei mit Metaphern, Ironie und dem reinsten Deutschpunk seit langer Zeit. Nur die Innovationen lassen sie etwas links liegen.

Pogendroblem aus Bergisch Gladbach machen auf „Alles was ich noch hab sind meine Kompetenzen“ (Folgend nur noch „AWIHSMK“) Deutschpunk ohne abgenutzte Parolen und gegen die Probleme der Gegenwärtigkeit. Gegen Macker, die auf Konzerten unbedingt ihre Shirts ausziehen, befassen sich mit dem Lifestyle der Generation Z und finden Leute wie Christian Lindner ziemlich scheiße. Das alles verpacken sie in den rundesten Punk seit Akne Kid Joe.

Mit einer Länge von 15 Songs wirkte „AWIHSMK“ erst einmal abschreckend, jedoch pendelt sich die Durchschnittslänge der Songs um die 1:40 ein, was das Album kurzweilig genug macht, um es auch mal am Stück zu hören. In dieser Zeit bekommt man auch lupenreinen Punk um die Ohren geschmissen. Denn sowohl textlich als auch musikalisch lassen Pogendroblem in Erinnerungen schwelgen, welche sich genremäßig zwischen Ton Steine Scherben und Akne Kid Joe verorten lassen. Mal werden die Lyrics eher gesprochen, mal rotzig gebrüllt, es fühlt sich alles so an, als stände man im lokalen AJZ und würde sich ne qualitativ hochwertige Undergroundband angucken, die ihre Shirts gerade noch selbst mit Aquarellfarbe gepinselt und sich ihren Backdrop aus Omas alten Bettdecken genäht hätte. Das klingt nun sehr skurril, aber dieser Punk findet mittlerweile immer weniger Platz außerhalb der kleinen Bubbles von irgendwelchen Kellerclubs, die keiner kennt. Aber nicht nur das Feeling passt hier. Pogendroblem haben es drauf, einen Mittelweg zwischen Tempo, Melancholie und Simplizissimus zu finden. Songs wie „Die einfachsten Botschaften“ sind dabei klare Highlights. Hier werden in einem schnellen Song namensgebend die einfachsten Botschaften kommuniziert und der gesamte Katalog der wichtigen, aber totgesungenen Parolen wird eben schnell abgearbeitet, damit man sich mit den anderen wichtigen Problemen beschäftigen kann. Sehr prominent ist dabei der Song „Shirt an“, welcher sich mit der Unart beschäftigt, dass vor allem Männer sich in der Öffentlichkeit (prominenterweise auf Konzerten) ohne Probleme oberkörperfrei zeigen können, während FLINTA* Personen diese Freiheit oft nicht haben. Vor allem das Zitat „Keine Freiheit für neuen deutschen Männerschweiß“ sollte dabei selbst in Zukunft auf einem Shirt stehen!

Es ist wirklich schwer, solch ein Album möglichst ausführlich zu beschreiben. Denn „AWIHSMK“ ist ein Punk Album der 2020er-Jahre, was auch schon der ganze Twist und auch die große Eigenheit dieser Platte ist. Das bedeutet nun nicht, dass Pogendroblem sich sonst nicht von der Masse abheben, jedoch wirken sie musikalisch manchmal etwas austauschbar, was allerdings wohl ein generelles Problem in jeglichem Genre ist, denn sehen wir dieses Album individuell, was hier ja der Hauptpunkt ist, so haben wir eines der (vor allem textlich) wichtigsten Deutschpunk Alben dieses Jahres. Musikalisch bewegt sich das Ganze dabei hoch qualitativ im Bereich des humoristisch satirischen Deutschpunks. Intuitiv ist das nicht, hört sich allerdings ziemlich gut an.

Fazit

7.8
Wertung

Pogendroblem zeigen auf, was viele nicht schaffen. Die ganzen Parolen à la „Refugees Welcome“ oder „Nazis sind scheiße“, sind zwar immer wichtig, relevant und die Wahrheit, jedoch wissen das genug Hörer*innen des politischen Punks. Viel wichtiger ist es, in den eigenen Reihen aufzuräumen und auf Missstände in den weniger beleuchteten Problemgruppen hinzuweisen. Songs wie „Shirt an“ treffen einen nahezu unangetasteten Nerv. Außerdem haben wir es auf „AWIHSMK“ mit einem qualitativ hochwertigen Punkalbum der alten Schiene zu tun, welches es so nicht mehr alle Tage gibt, dadurch geht zwar die Innovation etwas verloren, was jedoch nicht viel an Qualität und Genialität ändert!

Dave Mante
7.3
Wertung

Punk muss nicht stumpf sein. Das wissen Pogendroblem schon länger und beweisen es auf „Alles was ich noch hab sind meine Kompetenzen“ erneut. Jeder Ton und jede Zeile wirkt reflektiert und durchdacht. Das schafft Deutschpunk in seiner Bipolarität zwischen absoluter Ernsthaftigkeit und unverbindlicher Ironie nur selten.

Steffen Schindler