"Böse Wetter": Bei diesem Begriff bedarf es wohl einer kurzen Erklärung. "Böse Wetter" war der letzte Film, den der große Götz George vor seinem Tode gedreht hat. In weiteren Hauptrollen finden sich Matthias Koeberlin und Catherine Bode. Das hat mit dem Album nicht wirklich etwas zu tun, aber Album und Film haben ihren Titel von dem geflügelten Wort "Böse Wetter", welches aus dem Tagebau stammt und giftige Gase beschreibt, welche untertage auftreten können.
Und hier zeigt sich ein erstes Mal eine gewisse Genialität, die, wie so manches auf diesem Album, an einen der größten deutschen linken Musiker überhaupt erinnert. Denn die Lage der Welt und auch des Landes ließen sich sehr treffend mit "Böse Wetter" beschreiben. Die Liste der giftigen Gase ist lang und schier endlos wie die Klimakrise, die Schere zwischen Arm und Reich, das Erstarken und Etablieren der Rechten. Und doch versuchen NO°RD uns in "Wir" zu einen, mit einem Text, der im ersten und zweiten Hören nach Spaltung in Arm und Reich klingt, uns aber in einem Gefühl eint, dass diese Kategorien gar nicht kennt.
Die Texte haben dabei stets etwas Kämpferisches und berühren emotional, wobei festgehalten sei, dass auch eine Ohrfeige auf ihre Art eine Berührung ist. Dabei stellen sich NO°RD immer sehr klug an. Sie bauen clevere sprachliche Bilder und treffen intelligente Beobachtungen. Dazu dieser Gesang, der Melancholie und Resignation auf der einen Seite und Wut und Straßenkampf auf der anderen Seite versprüht. Man könnte meinen, Rio Reiser wäre zurückgekommen, um mit modernem Punk weiterzumachen. Der ständige Hall auf dem Gesang verstärkt diesen Eindruck zusätzlich.
"Böse Wetter", das ist keine Musik für nebenbei. Das sind kluge durchdachte Texte. Keine langen Tiraden, sondern kurze prägnante Aussagen, die zum Nachdenken anregen können, oder aber auch Slogans für eine ganze Bewegung sein können. Ein moderner Sound für einen Geist, den wir gerade dringend brauchen. NO°RD verkörpern ihn wie lange niemand mehr. Ob gewollt oder ungewollt, die Band steht in riesigen Fußstapfen und macht sich verdammt gut darin.