Lulu und die Einhornfarm sind das punkgewordene Kind der toten Crackhuren im Kofferraum und Bands wie Kotzreiz oder der Terrorgruppe. Mit ihrem ersten Album „ihr seid alle scheiße“ schafften sie schon damals ein dermaßen frech kritisches Deutschpunkalbum, dass sämtliche sexistische Macker da draußen bibbernd zu ihren Eltern rannten. Nun bringt die Band mit „alles klärchen bärchen“ ihre zweite Langspielplatte heraus und hält die Fahne des Deutschpunks noch höher als je zuvor. Hört ihr die ganzen Macker, Nazis und Co. schon weinen? Danach tut ihr es auf jeden Fall!
Allerdings beginnt unsere Reise durch die skurril echte und brutal ehrliche Welt von Luise Fuckface und ihrer Band auf einem eher irrwitzigen Tonus, welcher sich so durch das ganze Album zieht. „im bus wird nicht gekackt“ verschlägt uns alle zurück zu unseren ewigen Fahrten mit irgendwelchen Fernbussen, in welchen eigentlich so gut wieder immer das Klo kaputt ist und das in feinster Deutschpunk-Rotz-Manier. Da wird treibend mit den Instrumenten begleitet, da wird gegrölt und mitbrüllen kann man das auch noch super. Danach fällt diese Art des Punks nicht ab. Songs wie „ich bin so lustig, wenn ich betrunken bin“ oder „cabinet würzig“ bringen die eher witzigen Texte des Albums ans diffuse Kneipenlicht und wirken wie Geschichten, welche man sich nach zehn Astras in irgendeiner verrauchten Spelunke auf St. Pauli so erzählt. Aber (zum Glück) bildet diese Art Text eher ein Minimum der Scheibe ab, denn was Lulu und ihre Einhörner am besten können, ist Menschen bzw. bestimmte Gruppen dieser Lebewesen so richtig scheiße zu finden. Hier wird natürlich die Polizei und Nazis ins Zielkreuz genommen, es gibt einen Song über ungewollte Dickpics und das man diese einfach anzeigen sollte, um solche widerlichen Menschen für ihre Dreistigkeit zu bestrafen. Und man stellt sich mit „bau mir nen schrank“ verträumt aber bestimmt vor, wie es wäre, zur Abwechslung mal in einem Matriarchat zu leben. Wie der Song "ich bin eine schlampe" ist auch dieser dabei ein Punkcover des gleichnamigem Crackhuren-Klassikers. Ebenfalls wird die Selbstkritik bzw. die Kritik an den eher weniger problematischen Menschen laut, wenn zum Beispiel in „morgen kommt das neue iphone“ drüber gesungen wird, wie super es sich anfühlt, ein Handy für zu viel Geld zu kaufen und man dafür auch gerne in Kauf nimmt, dass man nichts mehr zu Essen hat. Den Hinweis auf die Kapitalismus- und Influencertum-Kritik muss hier nicht eröffnet werden, oder? Dieses Album bietet so viel. Sowohl Witz als auch Selbstreflexion, eigenes Ertappen und vor allem berechtigte Kritik. Zuerst wirkt es überrollend, ist allerdings am Ende etwas, das ein „Ich will noch mehr“ fördert.