Hafensaengers und „Sehnsucht gedeiht im Dreck “: Interessante Gemengelage

Die Punkattitüde wird als grobe Verortung selbstbewusst herausgekehrt, doch „Sehnsucht gedeiht im Dreck“ verschafft sich in einem überraschungsarmen, in deutscher Sprache oft auserzählten Genre die nötige Beinfreiheit und kann eines dann doch unvergleichlich gut: überraschen.

Anhand der kompakten Spielzeit drängen sich Hörerlebnisse simpelster Natur vor das geistige Auge (Ohr). Geschwindigkeit, mehr Geschwindigkeit und Höchstgeschwindigkeit: Diesen punktypischen Dreiklang hebeln die Hafensaengers in dessen Notwendigkeit aus, bedienen ihn allerdings überall dort, wo er zu passen scheint.

Ein untypisches Intro löst sentimentale Regungen aus, ohne sich dabei allzu pompös aufzubauschen. Es bildet den perfekten Einstieg in den exponiert platzierten Titeltrack, welcher als eine explosive Mischung aus Strike Anywhere und Jupiter Jones durchgeht – Bandnamen, zwischen denen keine unmittelbar erkenntliche Schnittmenge besteht, die sich aber in ihrer kritischen Sicht auf gesellschaftliche Entwicklungen dann doch zusammenführen lassen. Chronologie ist für Plattenbesprechungen nicht die spannendste Vorgehensweise, doch die „Die Stille zuhaus“ lässt kaum eine andere Wahl übrig. Zahlreiche Künstler*innen sprechen über das emotionale Ventil des Musizierens. Zuweilen klingt dies nach abgehalftertem Szene-Sprech, den wohldosierten Screams der Hafensaengers glaubt man hingegen unmittelbar. Starke Refrains, welche sich aus melancholischen Tälern zu voller Pracht erheben, sind dabei keine Seltenheit.

Übergreifend stellt man fest, dass Texte und Musik nur selten so gut zusammenpassen, wie es auf diesem Album der Fall ist. „Für Elise“ ist eine tiefgreifende Liebeserklärung (deutschsprachig ist das immer ein riskanter Drahtseilakt) mit autobiographischem Hintergrund, „Drück die Daumen“ spielt mit den Widersprüchlichkeiten des alltäglichen Lebens und „Alles aus nichts“ macht den Mut, den es für so manchen Gipfelsturm benötigt. Trotz aller Treueschwüre („Dunkelfarben“, „Geht´s dir gut“), verweilen die Hafensaengers in der fortwährenden Auseinandersetzung mit Selbstzweifeln („Gewinner“), sodass sich Pathos und etwaige Deutschrock-Anleihen auf einem angenehmen Level einpendeln. Zum Schluss muss nochmal mächtig Dampf abgelassen werden und „Vergiss mein nicht“ manifestiert den ohnehin sehr positiven Gesamteindruck.

Obwohl Punk laut eigener Aussage nur mit Gefühl zu tun hat (weniger mit Musik), steht eines fest: Auf eine wohlwollende Punktewertung ist dieses Debut-Album mitnichten angewiesen, 7 Punkte verdient es sich aus dem Stand. Und für die Idee eines mitgelieferten Organspendeausweises bei derzeitigen Ticketbestellungen gibt es dann noch einen Bonuspunkt. Erfrischende Idee mit guter Botschaft, großartig!

Fazit

8
Wertung

Ein rundherum sympathischer Erstkontakt. Hier passt Vieles zusammen.

Marco Kampe