Wer sich nach dem morgendlichen Aufstehen in den letzten Jahren getraut hat, über den Rand der eigenen vier Wände in das tobende Weltgeschehen zu blicken, der dürfte mitunter immer wieder das Gefühl der Rastlosigkeit gespürt haben. Die Empfindung von Sicherheit ist in vielerlei Hinsicht zur eigenen Aushandlungssache geworden, Ruhepole finden wir eher in unseren kleinen Komfortbereichen als im Weltzusammenhalt. Aber wenn die Einflüsse des gesellschaftlichen Geschehens unsere eigenen Grenzbereiche berühren, kann man unter Umständen selbst eigentlich kaum noch wissen, wo man irgendwie mal ankommen soll. Das alles kann einen rasend machen.
Der Sound von Mathcore-Bands wie The Hirsch Effekt oder Between The Buried And Me kann in diesem Zusammenhang als durchaus repräsentativ für so manches Gefühl gedeutet werden, das einen in diesem Zusammenhang immer wieder ereilt. Mit maximal unbequemer Klangästhetik ist dort jede komfortable Heimkehr nahezu ausgeschaltet. Die Faszination der virtuosen Instrumentalakrobatik, die Vertreter:innen dieser Sparte immer wieder an den Tag legen, ist interessanterweise oft dann am besten, wenn sie im Wust der Emotionen manchmal völlig in den Hintergrund rückt. Ein probates Mittel dafür war stetig das Austarieren dramaturgischer Hoch- und Tiefpunkte, die an die Stelle einer fast schon abstumpfenden Gewaltästhetik traten.
Womit wir endlich bei Finte angekommen sind, die sich dieser Gratwanderung auf ihrer neuen Platte „Wie das Endliche treibt“ mit einer bisher ungekannten Dringlichkeit stellen müssen. Das hat vor allem zwei Gründe: Erstens sind die vorliegenden zehn Tracks das erste Werk des Quartetts in Albumdimension, was grundsätzlich mehr Gespür für dramaturgische Bögen erfordert. Und zweitens beschäftigt sich besagte Platte auch inhaltlich mit Ambivalenzen, mit entgegengesetzten Gefühlen von Klarheit und Hilflosigkeit, mit der eigenen Doppelmoral im Angesicht politischer und ökologischer Krisen. Mit dieser Zweischneidigkeit stellen sich Finte eine kompositorische Aufgabe, die musikalisch wie inhaltlich durch Gratwanderungen definiert ist.