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Abramowicz und „The Modern Times“: Gar nicht verstaubt

Obwohl das Album-Cover etwas irritiert, bieten Abramowicz mit „The Modern Times“ zehn starke und abwechslungsreiche Songs, die deutlich besser klingen als das äußerliche Bild erahnen lässt.

Text-Bild-Schere, so nennt man es, wenn Text und Bild nicht das Gleiche, oder sogar das Gegensätzliche aussagen. Und so eine bilden Abramowicz mit ihrem neuesten Werk auch: „The Modern Times“ heißt die Platte, auf dem Cover zu sehen ist ein pausbäckiges Kleinkind im altmodischen Kleidchen, daneben steht ein altes Radio und die Tapete im Hintergrund kommt auch wahrscheinlich nicht aus diesem Jahrhundert.

Die Musik dagegen klingt deutlich frischer als das Bild verspricht. Erinnert zunächst etwas an The Gaslight Anthem: Raue Stimme, die einen Großteil des Sounds ausmacht, dazu solider Alternative Rock gepaart mit Punkrock, der nicht zu sehr hetzt. „The Modern Times“ ist tatsächlich der erste Langspieler der Hamburger Formation (es gab aber schon zwei EPs und ein Vinyl-Album). Leider mit zehn Songs doch eine recht kurze LP, was aber auch dafür sorgt, dass alle Songs stark sind.

Eine abgedämpfte Gitarrenmelodie eröffnet die Platte, schnell gesellt sich Sören Warketins raue Stimme dazu, die so sehr nach Brian Fallon klingt. Sogar ein kleiner chor-artiger Hintergrundgesang kommt dazu mit wenig instrumentaler Begleitung. Dazwischen tanzbarer Alternative Rock und eine ruhige Bridge mit Keyboard. Schon der Opener hat also einiges zu bieten, ist abwechslungsreich.

Andere Songs fangen ruhig an, bevor sie sich komplett aufbauen, es folgen schnelle, eingängige Melodien. Kein Song klingt wie der andere, das Album hat seine ganz eigene Dynamik, auch bedingt durch die zahlreichen Tempowechsel. „Queen Of The Night Boats“ beginnt leise, die Stimme spricht mehr als dass sie singt. Ganz seicht baut sich die Musik auf, einzelne Gitarrensaiten werden angespielt, das Schlagzeug hält sich anderthalb Minuten lang zurück. Jetzt wird ist der Beat schneller, der Grund-Sound bleibt aber ruhig. Der Song (Track sechs) bildet eine kleine Ruhepause auf „The Modern Times“, dreht aber im letzten Drittel dann doch noch kurz auf. Es sind Songs wie dieser, die die Platte dynamisch halten. Im nächsten Song geht es wieder weiter mit (zunächst) ununterbrochenen Achteln.

Der titelgebende Song kommt ganz am Ende: „Wild Rover“ (Sören Warkentin singt „Welcome To The Modern Times“) verbreitet musikalisch gute Laune mit fröhlichen Melodien, regt aber auch etwas zum Nachdenken an („Are You Happy, Are You Satisfied?“).

Die eingangs erwähnte Text-Bild-Schere beschreibt das Album vielleicht doch ganz gut. Denn super neu und ausgefallen ist die Musik nun auch nicht  ̶  trotzdem ist sie nicht verstaubt. Die Schere schließt sich also mit der Musik. „,The Modern Times‘ ist als Album zu keinem Zeitpunkt zu glatt oder gar anbiedernd angelegt – leider eine Seltenheit dieser Tage“, schreibt Jörkk Mechenbier von Love A. Dem kann man nur zustimmen und den fünf Hamburgern zu einem gelungenen ersten richtigen Langspieler gratulieren.

Fazit

7.4
Wertung

Beim ersten Anspielen habe ich noch gedacht „oh Gott, schrecklich“, aber nach einem Tag Pause erschloss sich mir dann nicht mehr so ganz, was denn daran jetzt schrecklich war. „The Modern Times“ ist ein tolles Album, besonders die verschiedenen eingesetzten Elemente gefallen mir.

Lara Teschers