Die zweite Hälfte ist emotionaler, persönlicher und richtet den Blick auf das Innenleben. Es geht nicht immer um die eigenen Erlebnisse, sondern generell um das, was in Menschen vorgeht, sie beschäftigt, aufbaut oder zerstört. „2694 Tage“ zeichnet eine Hommage an einen vierbeinigen, treuen Freund und hier gelingt es 100 Kilo Herz, ein gefühlvolles Stück voller Erinnerungen und Verlust zu schaffen. Der Song „Spiegel“ wiederum führt vor Augen, dass Selbstaufgabe und das Fokussieren auf die Bedürfnisse anderer nur dazu führen, sich selbst zu verlieren. Aber die Band ist nicht nur in negativer Emotionalität unterwegs. „Alleine leuchten“ verdeutlicht eindrucksvoll, dass Zusammenleben zwar ein Miteinander ist, aber jeder Mensch auch allein strahlen soll und darf, ohne in seiner inneren Leuchtkraft von anderen Menschen abhängig zu sein.
Der das Album abschließende Track „Lichter an“ lässt Raum zur Interpretation – ist es Burnout oder das Fehlen jeglicher Motivation, sich aufzuraffen, nachdem die Hörenden 36 Minuten lang schonungslos mit menschlichen und gesellschaftlichen Schwachstellen konfrontiert wurden? Jede:r Zuhörer:in wird sich am Ende auf eigene Weise wiederfinden und grübelnd aus dem Album entlassen.
Mit Amy von Kopfecho („Hölle in Pastell“) und Nicholas Müller von Jupiter Jones („Keine Zeit für Angst“) haben sich die sechs Bandmitglieder auch dieses Mal Gäste zur gesanglichen Unterstützung ins Studio geladen. Der Sound der Leipziger Band bleibt sich treu. Neben punk-rockigen Gitarren sticht der Bläsersound wieder heraus. Saxofon und Trompeten bilden teilweise fanfarenartige Passagen und die Drums treiben weiterhin die Lieder voran. Diese Einheit sorgt dafür, dass die Songs trotz aller gesellschaftskritischen Töne positiv wirken, gefeiert und getanzt werden wollen. Dafür sorgen unter anderem auch hymnische Sing-Along-Parts wie in „Keine Zeit für Angst“ oder die tanzwütigen Songs „Eine Hölle in Pastell“ oder „Und das nennt ihr dann Leben“.