Kolumne

Mein Lieblingssong zum Thema "Abschied"

Einmal im Monat sammelt die Redaktion ihre Lieblingssongs zu einem bestimmten Thema. Diesen Monat geht es um das immer traurige, aber oft auch schöne Thema "Abschied".

Die Wahl ist wirklich schwer, da Songs, die mit Abschied zu tun haben, meist auch mit dem Thema Tod einhergehen. Glücklicherweise habe ich dann doch etwas gefunden, womit ich mich auch im Nachhinein noch versöhnen konnte. Es geht um "Gone Away" von The Offspring, in der Alternate Version von 2021.
Als ich den Song entdeckte, hätte er kaum besser passen können, steckte ich gerade in einer unendlich schmerzenden Situation. Ich hatte einen unendlich wertvollen Menschen kennengelernt, mit diesem Menschen hatte ich diesen Song kennengelernt. Und es folgten wunderschöne gemeinsame Erlebnisse und doch stand da noch ein Berg zwischen uns. Als wir uns dieses eine Mal verabschiedet hatten und "Gone Away" anfing, war das niederschmetternd und aufbauend zugleich. "Maybe in another life". Zum Glück wendete sich alles zum Guten, nicht erst in einem anderen Leben.

Abschied ist ein großer Begriff. Im ersten Moment dachte ich an Tod und Verlust oder das Ende einer Liebe, aber letztlich kann ein Abschied ja auch etwas Gutes sein. Und dann kam mir das perfekte Lied in den Sinn. Farin Urlaub, seines Zeichens Gitarrist und Sänger von Die Ärzte, hat 2001 sein erstes Solo-Album veröffentlicht und da gab es das passend betitelte "Abschiedslied". Ein positiv stimmender Song über das Abschiednehmen und die Beweggründe dafür. Farin hat ja das erklärte Lebensziel alle Länder der Welt mal bereist zu haben und wenn die Biographie der Band stimmt, hat er da schon einige abgefrühstückt. Im Song selbst besingt er es auch.

"Ich weiß jetzt, was ich will,
ich geh jetzt endlich los.
Mein Weg wird ziemlich weit sein,
denn die Welt ist ziemlich groß.

Ich weiß, dass ich dich liebe,
egal, was auch geschieht,
ich werd dich nie vergessen,
dies ist mein Abschiedslied."

 

Ich mag die etwas fröhlicheren Töne, gibt es doch auch schöne Abschiede im Leben. Als ich damals nach Bochum gezogen bin, war ich voller Freude und auch wenn ich jetzt nicht die ganze Welt gesehen habe, so habe ich dennoch einen großen Wandel im Leben erlebt. 

Eigentlich wollte ich erst "Abschied ist ein scharfes Schwert" von Roger Whittaker nehmen, war es doch immer das Lied, was Freunde meiner Familie laut über ihr ganzes Anwesen abspielten, wenn wir wieder fuhren. Aber irgendwie wollte ich dann doch lieber Farin nehmen.

Eigentlich wollte ich hier kurz und bündig über den Song „Die Bahn“ von Marathonmann reden, welches ein tiefes Gefühl des „Lebe wohl“ in mir auslöst. Allerdings habe ich mich dagegen entschieden, die vor Kurzem bekanntgemachten kurzfristigen Touränderungen im Vorprogramm sind mir noch zu präsent und zu ungeklärt, als das ich hier über einen Song der Band reden möchte. Daher nehme ich den Song mit dem passenden Namen „Abschied“ von Kind Kaputt. Stellvertretend für das gesamte Langspieldebüt „Zerfall“ steht dieser Titeltrack mit abweichendem Namen. Tiefmelancholisch, langsam und ruhig spielt die Leipziger Post-Hardcore Band hier mit ihrem abwechslungsreichen Stück Musik und schafft es, mich in ein tiefes Abschiedsgefühl zu werfen. Kind Kaputt typisch schwingt auch ein starkes Gefühl des Verstandendseins und der leisen und lichten Hoffnung mit. Hier in Form der folgenden Zeilen mit dem Thema, dass es zwar manchmal nicht leicht ist, man selbst zu sein, aber durch die Wut, die in dem Moment aus den Vocals herausbricht es scheint, als fühle man sich irgendwie verstanden.

Da ist ein Ort an dem man Ideale bricht
Wenn wir nur schneller liefen, erreichten sie uns nicht
Stell dir mal vor, stell dir mal vor
Wir müssen immerzu verstecken, wer wir sind

Dieser Song steht für mich für eine schwere Zeit in den letzten vier Jahren, eine Zeit, in der mir auch dieses Album und die Musik der Band viel gegeben hat und „Abschied“, neben „Schuld“, der für mich erinnerungsschwangerste Song ist.

 

Abschiede – ein Thema, über das ich gefühlt mehr Musik liebe als zu irgendeinem anderen Gebiet. Was sagt das über mich, was sagt das über Musik? Wahrscheinlich beweist es mir einerseits, dass traurige Songs immer tiefer greifen als fröhliche – diese These hatte Jesse Barnett mir schon einmal vor Jahren in einem Interview erzählt – und anderseits, dass ich in den letzten Jahren vielleicht ein wenig zu viel Songs brauchte, die mich in Momenten von Trennungen jeglicher Art auffangen mussten. Dazu musste irgendwann wohl sogar Musik dienen, die mit dem Thema Abschied eigentlich gar nichts zu tun hat, die mich aber in ihrer Stimmung in solchen Momenten aber auf dem richtigen Nerv erwischte. Ich denke da zum Beispiel an Steven Wilsons „Transience“, das sich mit seinen sanften Instrumentals und außerweltlichen Chören so herrlich sublim anfühlt. Aber es gibt noch so unendlich viel andere Musik, die sich mit diesem offenbar sehr tiefgreifenden Thema menschlicher Emotionalität auseinandersetzt. Max Herres „Athen“ zum Beispiel, das mich nicht nur mit seinem überragend melancholischen Pink-Floyd-Part in der Mitte kriegt, sondern vor allem mit seinem leisen Finale, in dem die Geliebte plötzlich die Flucht ergreift und Herre vor Kummer nicht mal mehr reimt. Lord Hurons „The Night We Met“ ist für mich einer der absolut herzzerreißendsten Wünsche daran, im Moment des Abschieds noch einmal die Magie des Anfangs erleben zu wollen – ebenso, wenn Muse im dritten Teil ihrer „Exogenesis“-Trilogie die schmerzliche Frage stellen: „Why can’t we start it over again?“ Mindestens genau so schmerzlich ist es für mich, wenn Touché Amorés Jeremy Bolm in „Rapture“ feststellt: „Someone you love is gone / and leaves you fractured“. Biffy Clyros „Opposite“ zählt zu den traurig-schönsten Rockballaden, die ich je gehört habe, Trade Winds „I Can’t Believe You’re Gone“ weiß Barnetts zu Beginn dieses Textes erwähntem Statement eindrucksvoll wehtuend Beweise zu bieten. Müsste ich mich am Ende des Tages auf einen einzigen besten Abschiedssong aller Zeiten einigen, dann wäre es wohlmöglich Julien Bakers „Something“. Wie weh muss ein Mensch jemandem getan haben, damit er so etwas zu Papier bringt? Um nur mal einen Auszug zu nennen: „I know you left hours ago / I still haven’t moved yet / I knew you were gone months ago / But I can’t think of anyone else”. Und später dann: “I know I meant nothing, nothing to you / I thought I meant something, something, something / But I just said nothing, said nothing, said nothing / Sat and watched you drive away”. Um es ausgerechnet mit Philipp Poisel zu sagen: Wie soll ein Mensch das ertragen?