Es steht also der Vorwurf im Raum, dass die Band lediglich nutzt, dass die Verbindung zwischen Punk und Rap relativ selten ist und damit auch ein relativ hohes kommerzielles Potential einhergeht. Diesen Vorwurf kann man natürlich nicht einwandfrei beweisen oder widerlegen, da man eben nicht in die Köpfe der Agierenden schauen kann. Ob sie nach außen hin das eine propagieren und innerlich ganz anders darüber denken, ist nicht eindeutig verifizierbar. Gestützt wird die Vermutung unter anderem durch das Auftreten der Band auf Konzerten und Festivals:
“Ich kenn keine andere Band aus der Punk-Szene, die ich auf Festivals oder Konzerten gesehen habe, mit soviel Promotion, mit soviel Werbung, mit soviel Merchandise.”
Sehen wir uns das Merchandising einmal an. Auf der Website www.missglueckte-welt.de findet man eine lange Liste an Merchandise-Artikeln. Neben den typischen Artikeln wie Pullover, T-Shirts, Jacken und Taschen findet man auch Handschuhe, Sporttaschen, Socken und sogar Badelatschen. Das Sortiment ist schier endlos, was die Individualität unter Punks, die für ihren meist sehr individuellen Stil bekannt sind, in gewisser Weise einschränkt, wie dieser Kritiker findet:
“Die Klamotten, die man von Swiss kaufen kann sind nicht gerade günstig, verglichen mit anderen Punk-Online-Shops/Geschäften. Von außen wirkt es wie ein Zwang für die Fans von Swiss, sich das alles kaufen zu müssen. Dadurch geht vor allem die Individualität des Punks verloren. Man kann diese Kutten zwar selbst wieder individualisieren, aber für mich war es immer so, dass Punks sich ihre eigenen Klamotten machen und sich auch untereinander nicht anpassen.”
Den Abschluss des Merchandise-Kataloges bildet die Sippschafts-Jacke oder Weste für rund 80€-90€. Das ist schon recht viel für Band Merchandise – vor allem, da gerade in der Punk-Szene viele Kleidungsstücke in den meisten Fällen durch Patches (Aufnäher), Buttons oder eigene Malereien verschönert werden, wodurch man sich teuren Merch von Bands oftmals sparen kann.
Doch was hat es eigentlich genau mit diesen “Sippschaftskutten” auf sich? Oder generell mit der Mitgliedschaft in so einer Sippschaft?
Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, habe ich erst einmal im Shop auf den Button “Ausführung auswählen” geklickt und – Access denied. Zugang zu dieser Seite erhält man nur mit einem Passwort. So bin ich also schon einmal nicht weiter gekommen. Also habe ich mir mal den “Leitfaden für Sippschaften” auf der Missglückte-Welt-Seite durchgelesen. Und gewisse Punkte dieses Leitfadens lassen einen schon stutzig werden.
So bezahlt man für eine Sippschaftsjacke beispielsweise nicht nur 80€-90€, sondern muss diese auch noch zurückgeben, wenn man ausgeschlossen wird oder die Sippschaft verlassen möchte.
“Beides ist als Leihgabe zu werten und das dafür überwiesene Geld ist als eine Bearbeitungsgebühr zu werten. Das heißt, verlässt einer die Sippschaft, egal ob es ein eigener Entschluss ist oder es aufgrund von Fehlverhalten zu einem Ausschluss kommt, muss die Kutte beim Postmeister abgegeben werden. (Siehe Leihvertrag)” (Auszug aus dem Leitfaden auf: www.missglueckte-welt.de)
Das bedeutet also, dass man fast 100€ für eine Jacke oder Weste ausgibt, die man eventuell nicht einmal behalten darf und von dem Geld bei einer Rückgabe nichts wiedersieht. Das lässt schon auf eine gewisse kommerzielle Absicht der Band schließen und eben nicht, wie auf der Website geschrieben, auf Zusammenhalt und Uniformität:
“Wir wollen mit den Jacken nicht einen einzigen Cent verdienen, wir wollen nur, dass unsere Sippschaftszecken geile Scheiße anhaben, wir inklusive! Kurz einmal zu der Kritik, die es gab in Bezug auf die Uniformierung innerhalb unserer Gemeinschaft: Wir finden, dass der heutige Marken-Faschismus alles kaputt macht. Wer kein Nike, Adidas oder so trägt, kann nicht mitreden, ist nicht cool. Deswegen gilt zum Beispiel in vielen Schulen in England die Pflicht zur Schuluniform, damit alle das Gleiche anhaben, egal ob sie reich oder arm sind. Und nur so soll diese Jacke verstanden werden: Wir sind alle gleich, wir sind alle Sterne. Bei uns ist es egal, wie reich oder arm jemand ist!”
Wenn an den Jacken kein Geld verdient werden will, warum dann diese absurd hohen Kosten für eine Leihgabe? Und was ist mit Leuten, die sich diese Kutten nicht leisten können und sich daher nicht in die Uniformierung einkaufen können? Wo bleibt da der Grundsatz von: Wir sind alle gleich, egal ob arm oder reich? Werden Leute, die sich diese Kutten nicht leisten können oder keine haben wollen, dadurch nicht automatisch ausgeschlossen?
Zudem verpflichtet man sich bei der Mitgliedschaft dazu, Werbung zu machen, was wieder dazu führt, dass Kritiker an dem ganzen Kult um Swiss und die Andern, das Gefühl bekommen, dass es bei dieser Band mehr um Werbung und damit auch ums Geldverdienen geht, als um die Musik oder die Inhalte.
“Sippschaftszecken sind vor Allem für die Promo in ihrer Stadt zuständig. Immer wenn der Postmeister oder die Postmeisterin von uns ein Paket bekommen hat, verteilt er/sie die Flyer, Sticker usw. unter der Gruppe UND ORGANISIERT die Promowelle in der jeweiligen Stadt. Sippschaftszecken müssen Bock auf radikale Promo haben, sonst macht es keinen Sinn. Also bitte nur Leute in der jeweiligen Sippschaft aufnehmen, die richtig Randale machen wollen. Auch darauf muss der Postmeister / die Postmeisterin ein Auge haben. Wenn jemand nicht so der Sticker-Typ ist, dafür aber online alles auseinandernimmt, dann ist das auch in Ordnung. Wichtig ist einfach, dass die Missglückte Welt von einer Sippschaft auf allen Kanälen in vollem Umfang propagiert wird.” (Auszug aus dem Leitfaden auf: www.missglueckte-welt.de)
Natürlich kommen diese Sippschafts-”Regeln” nicht von der Band selber, sondern von den Fans, aber die Band unterstützt diese Regeln durch gewisse Anreize ihrerseits. Die Band erhält somit kostenlose Promo (für die normalerweise bezahlt werden müsste) und eine große Anhängerschaft, die ihren Merch kauft (also auch noch Geld dafür ausgibt, Promoter zu spielen).
"Es gibt also eine Band, die ihre eigene Fangemeinde zu Promotern erzieht, indem sie ihnen Erkennungszeichen und Gruppenzugehörigkeit (und ab und zu, das wird nicht näher definiert, Gästelistenplätze und Freikarten) ermöglicht. Außerdem „darf“ man der Band bereits beim Soundcheck zusehen und es gibt ein Vorzugsrecht bezüglich Merch und Tickets. Einige Sippschaften haben ein „Anwärter_innensystem“ entwickelt, um neue Aspiranten genau unter die Lupe nehmen zu können und zu bestimmen, wer dabei sein darf.
"Ein Prinzip, das ich vor allem aus rechtsoffenen bis konservativen Kontexten kenne, namentlich Studentenverbindungen und Burschenschaften. Im Gegensatz zu jenen geht 1 bei den Sippschaften keinen „Lebensbund“ ein und es sind Frauen erlaubt. Höchst progressiv." (Zitat von dem Blog Minzgespinst, wo ein umfangreicher Eintrag zu gewissen Vorwürfen gegenüber Swiss und die Andern zu finden ist).
Generell ist die gesamte Idee eines “Regelwerks” innerhalb einer so anti-autoritären Bewegung wie der Punk-Szene eher fragwürdig.