Nirvana schlagen in den frühen 90ern ein wie eine Bombe und spätestens mit „Nevermind” avanciert das Trio um Kurt Cobain zum Anwärter auf den Titel „Größte Band der Welt”. Mit dieser Detonation ändert sich auch der inhaltliche Diskurs des Rock-Mainstreams, weg von platten Strip-Hymnen wie „Pour Some Sugar On Me” (Def Leppard) und „She’s My Cherry Pie” (Warrant), oder sexistischer Scheiße wie „turn around bitch, I got a use for you” (Guns ‘n Roses - „It’s So Easy”). Nirvana sprechen unangenehme Themen an – Sexuelle Gewalt („Rape Me”, „Polly”), Abtreibung („Pennyroyal Tea”) und Ungleichbehandlung („Frances Farmer Will Have Her Revenge On Seattle”). Während Slash und Tommy Lee nach ihren Auftritten völlig betrunken mit einigen Groupies im Backstage verschwinden, füttert Cobain während Interviews seine Tochter und haut ganz nebenbei solche Statements raus:
„Rape is one of the most terrible crimes on earth. And it happens every few minutes. The problem with groups who deal with rape is that they try to educate women about how to defend themselves. What really needs to be done is teaching men not to rape. Go to the source and start there.”
Cobain markiert einen neuen Archetypen des Frontmanns, introvertiert und nachdenklich statt laut und exzentrisch. Als er sieben war, ließen sich seine Eltern scheiden und der junge Cobain wurde fortan Zeuge einer Reihe von missbräuchlichen Beziehungen seiner Mutter, die nicht selten mit blauen Augen und Krankenhausbesuchen endeten. Eigenen Aussagen zufolge erkannte er früh, dass Frauen in der Gesellschaft schlecht behandelt wurden, was wohl auch zur Folge hatte, dass er sich – mit Ausnahme seiner Bandkollegen – vor allem mit weiblichen Musikern umgab. Viele dieser Musikerinnen zirkulierten im Dunstkreis des Punk-Subgenres Riot Grrrl. Riot Grrrl ist ein fast ausschließlich weibliches Genre, das sich aus dem Punk entwickelte. Der hatte sich zu der Zeit nämlich zwar auf die Fahne geschrieben, total liberal und überhaupt nicht klischeebehaftet zu sein, die Erfahrungsberichte vieler weiblicher Fans sprachen aber eine andere Sprache, nach der der Punk quasi an denselben Problemen toxischer Maskulinität litt, mit denen auch Hardrock und Glam-Metal zu kämpfen hatten.