Dass HipHop und Feminismus ein mindestens schwieriges Verhältnis haben, liegt auch an deutschen HipHop-Aushängeschildern wie Kollegah, die mit ihrer Mentalität und ihren Texten das Leitbild des frauenverachtenden Alpha-Manns sehr laut in die Welt tönen. „Als Teenagerin habe ich die Sachen, die ich gehört habe, kaum hinterfragt“, erklärt Burghausen und beantwortet damit die Frage, wie sie so viel Leidenschaft für ein Genre entwickeln konnte, das inhaltlich in der breiten Masse ein sehr durchwachsenes Image hat. „Als junges Mädchen habe ich viel internationalen Rap gehört – alles, nur nicht aus Deutschland. Ich war großer Fan dieser ganzen Südstaaten-Szene um zum Beispiel Lil John & The Eastside Boyz oder UGK. Wenn ich mir einige Sachen von denen heute nochmal anhöre, läuft es mir eiskalt den Rücken herunter. Ich habe neulich mal wieder ‚Slow Motion‘ von Juvenile entdeckt und fand es krass, dass ich das mit 14 Jahren gehört habe. Das Frauenbild, das damals zum Beispiel in Musikvideos propagiert wurde, hat mit Sicherheit auch etwas mit mir gemacht. Die dort gezeigten Verhältnisse sprachen nicht gerade für Empowerment. Aus einer feministischen Perspektive habe ich all das erst viel später reflektiert. Ich bin damals einigen Leuten begegnet, die mein Weltbild hinterfragt haben und war gleichzeitig müde, eine der wenigen sichtbaren Frauen im deutschen HipHop-Kosmos zu sein.“
Dass Burghausen so über ihren Einstieg in ihre Leidenschaft nachdenken muss, ist aber eben kein Problem, das sich auf den Rap im Exklusiven beschränkt. HipHop ist laut und direkt, zeichnet sich oft durch Provokation aus und versteht sich generell als Musikrichtung, in der das Lyrische stark in den Vordergrund tritt. Deswegen ist HipHop immer ein leichtes Angriffsziel, wenn es um das Ankreiden von sexistischen Verhältnissen geht – aber eben noch lange nicht die einzige Problemzone, die in Hinsicht auf Frauen in Gesellschaft und Musik festzumachen ist. „HipHop ist nur die Spitze des Eisbergs“, konstatiert Burghausen. „Unsere ganze Welt ist darauf ausgelegt, dass sie von Männern und für Männer gemacht ist. Wenn ich mich insofern als Frau und Feministin im Rap bewege, dann kämpfe ich den selben Kampf, den ich überall sonst auch kämpfe. Ich sehe da keinen großen Unterschied.“ Dass Musik auch Genre-übergreifend in diesem Problem nicht unschuldig ist, hat etwa Sven Kabelitz‘ Reihe „Die Frau in der Musik“ gezeigt. Darin stellt der Journalist nicht nur ebenso wie Burghausen jeden Tag eine Künstlerin vor, sondern führt auch Interviews mit Protagonistinnen aus den unterschiedlichsten Genres. „Er kommt zu dem Schluss, dass HipHop im Vergleich zum Metal eine inklusive Schäfchenparade ist“, erzählt Burghausen. „Ich weiß aus Erfahrungen von Freundinnen, dass es genau so ekelhaft ist, sich als Frau im Technobereich zu bewegen. Und man muss sich nur einmal die Texte von Schlagern ansehen, um sehr viel darüber zu erfahren, was für Frauenbilder es in der Gesellschaft gibt.“
Dass vor HipHop, Musik und dem Idealbild einer gleichberechtigten Welt noch immer ein langer Weg liegt, muss dabei aber nicht bedeuten, dass alle Bemühungen bisher im totalen Brachland geendet sind. Dass Rap gerade im Mainstream angekommen ist und deswegen zwangsläufig eine breite Masse bedienen muss, tut dieser Musikrichtung in den Augen von Burghausen gut. „Ich denke, dass HipHop Mädchen und jungen Frauen zugänglicher ist, seit er kommerziell erfolgreicher geworden ist“, überlegt sie. „Ich weiß zum Beispiel, dass wegen SXTN viele Frauen angefangen haben zu rappen. Man muss mit denen nicht viel anfangen können, aber in dieser Hinsicht haben sie dem HipHop auf jeden Fall einen großen Dienst erwiesen.“ Auch von anderer Seite reformiert Deutschrap zurzeit viele alte Gepflogenheiten. Dass Kraftklub-Frontmann Felix Kummer mit seinem Solodebüt „Kiox“ gerade ein Album veröffentlicht hat, dessen Intro gleich konstatiert, Rap wieder weich und traurig zu machen, ist dabei nur die neueste Ausformung von HipHop mit anderen Idealen. „Seit Ende der 2000er gibt es Beispiele, wie man erfolgreich Rap machen kann, ohne in diese Sexismus-Schiene zu rutschen“, meint auch Burghausen dazu. „Von Casper und Marteria kann man halten, was man möchte, aber das ist eine Spielart von Rap, die dieses Klischee des starken Alpha-Manns sehr gut durchbricht – und das ist im Mainstream.“