Im Kreuzverhör #49: Nathan Salsburg - "Landwerk"

Einmal monatlich stellt sich die Redaktion gemeinsam Platten außerhalb ihrer Komfortzone. Dieses Mal wirft Steffen "Landwerk" von Nathan Salsburg in den Ring.

Ob die amerikanische Folk-Musik ohne Alan Lomax ihre kulturelle Relevanz erhalten hätte? Der Musikethnloge verbrachte knapp siebzig Jahre damit, Volksmusik auf der ganzen Welt zu erforschen­­ – und aufzunehmen.­­­­­­­ Das reichhaltige Lomax-Archiv ist eine Schatzgrube der Musikgeschichte, die mittlerweile online zugänglich ist. Und an dieser Stelle kommt Nathan Salsburg ins Spiel. Als Kurator der Lomax Digital Archives, aber auch als Musiker hält er die Tradition der Folk-Musik am Leben. Auf „Landwerk“ verknüpft er sie mit einer anderen, moderneren Musiktradition der USA: Dem Sampling. So entstehen aus alten Aufnahmen und Salsburgs eigenem, darauf improvisierten Gitarrenspiel, vier hypnotisch-explorative Stücke. Das erinnert nicht von ungefähr an die so beliebten „lofi hip hop beats to relax/study to“. Das Knistern von Schellack-Platten ist prägend für das Klangbild von „Landwerk“, das Album eröffnet gar mit einigen Sekunden, in denen nur diese eigentlichen Störgeräusche zu hören sind. Langsam schälen sich dann die Archiv-Samples von jüdischem Orgelspiel, einem finnischen Immigranten-Orchester in New York, einer türkischen Tanzband oder Pipe-and-Drum-Marschmusik heraus, mit denen Salsburgs Gitarren in einen Dialog treten. Wie für jedes gute Gespräch nimmt er sich Zeit dafür, der kürzeste Song dauert sieben Minuten, in denen man aber auch nichts verpasst, wenn man nicht hochkonzentriert zuhört. Wie beim LoFi Hip Hop eignet sich „Landwerk“ daher super als Soundtrack zum Lernen und Schreiben – für euch auch bei diesem Text getestet.

Kreuzverhör und Mittagspause. Ihr kennt das alte Spiel als geneigte Leser:innen des Formats langsam von mir. Heute also Nathan Salsburg mit "Landwerk". Ich bin wie immer ehrlich: Hab ich beides bisher so oft (an-)gehört wie ich in meinem Leben schon in Salzburg war: Gar nicht. Aber genau das ist ja das schöne hier: Neues (lieben) lernen. Meistens zumindest. "Meistens" daher, da ich trotz beruhigendem Knistern und vier eintönigen, fast 36 Minuten in Summe dauernden Stücken auf "Landwerk" nicht entspannen kann, sondern an meine Grenzen geführt werde. Spätestens nach dem Lesen von Steffens Beitrag als Vorschlaggeber dieser Ausgabe verstehe ich zwar, wie viel künstlerischer Ansatz hinter diesem Werk steckt, richtige "Wow, dieser Nathan Salsburg muss unbedingt öfter den Weg in meine Ohren finden"-Vibes kommen leider nicht auf. Da ich ihn jetzt einmal gehört habe, setz ich dann als nächstes Salzburg auf die To-Do-Liste.

"Landwerk" von Nathan Salsburg ist das wohl am schwersten in einem Text zu beschreibende Stück Musik, welches ich je vor mir hatte, es ist so ein Umstandsalbum. Es wirkt nur unter bestimmten Umständen oder in Momenten so gut, wie es eigentlich ist. Die Vier-Track-Wundertüte liefert eine wilde Kombination aus sehr zurückgefahrener Instrumentalmusik, welche sich mit einem Plattennadelknarzen selbst eine gewisse Nostalgie verpasst. Dabei unterscheiden sich die einzelnen Stücke nicht nur in der Zahl hinter ihrem zum Album identischen Titel, sondern jeder Part fängt auch eine andere Stimmung ein. So hörte ich Teil 1 zum Beispiel auf meinem Weg zum Brötchen holen. Ist jetzt erst mal nichts Spektakuläres, wird allerdings durch die sich ständig wiederholende Grundmelodie von "Landwerk I" dermaßen gut unterstrichen, dass die wärmende Sonne im kalten Wind direkt doppelt so schön war. Ich bin gespannt, welche Situationen sich noch so als passend erweisen werden, wenn dieses Kleinod mal zufällig läuft.

Hier kehrt mächtig Ruhe ein. Und das ist wiedermal untypisch für dieses Format. Was wiederum typisch ist für dieses Format. Aber die Ruhe täuscht doch arg über die Komplexität der Musik hinweg. Durch das knacken der Plattennadel bekommt das erste der vier Stücke eine derart meditative Stimmung, dass ich erst Mitte des vierten Stücks aufgewacht bin. Mist. Zählt das trotzdem?