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Retro Review: Wie mich "Steal This Album!" auf legalem Weg erreichte

Das Format der Retro Review ist für mich auch immer die Möglichkeit, Geschichten zu erzählen. Dazu, wie Bands und ihre Alben ihren Weg zu mir in die Pampa gefunden haben. Heute möchte ich meine Geschichte zu System Of A Down und ihrer dritten Platte „Steal This Album!“ mit euch teilen. Spoiler vorab: Ich habe dieses Album gekauft. Schuldig.

Ich werde in dieser Betrachtung des Studioalbums „Steal This Album!“ aus dem Jahr 2005 nicht auf die grundsätzliche Bandgeschichte von System Of A Down eingehen. Dafür gilt mein Dank an dieser Stelle dem Redaktionskollegen Jakob Uhlig, der sich dem Thema und dem Werdegang der Gruppe vor nicht allzu langer Zeit ausführlich textlich gewidmet hat. System Of A Down und ihr hauptsächliches musikalisches Schaffen spielen sich mit einigen anderen Bands in einer Zeit ab, in der ich selbst (noch) zu jung dafür war, um mich ernsthaft auszukennen oder mich mit diesen Dingen zu beschäftigen. Wie bereits an manch anderer Stelle erwähnt, gab es damals in meiner direkten Verwandtschaft und dem dazugehörigen Freundeskreis ein paar Jungs, die mir mit vier Jahren Vorsprung im Alter, aber auch im musikalischen Kontext deutlich voraus waren. Und wie sollte es anders sein, öffneten sich darüber die Türen für mich zu Bands wie Metallica, Slayer und eben auch System Of A Down.

Diese Band war zu dieser Zeit und innerhalb dieses in unserer Dorfidylle den härteren Genres verfallenen Personenkreises allgegenwärtig. „Mezmerize“ und „Hypnotize“ dominierten mit all ihren wahnsinnig wirkenden Facetten mein Bild von außen auf diese genauso wahnsinnig wirkende Gruppe. Noch nie zuvor hatte ich so eine verrückte, unausgeglichen wirkende und von einer Sekunde zur nächsten einfach alles auf den Kopf stellende Band gesehen, gehört und erlebt. Von der einen Seite betrachtet verrückt, und gleichzeitig so genial. „Radio/Video“ und „B.Y.O.B.“ sind aus dieser Zeit melodisch und textlich nach wie vor bei mir abgespeichert und zum jederzeitigen Abruf bereit. „Toxicity“ kannte ich natürlich schon vorher, aber habe ich nach Erhalt von „Guitar Hero – Metallica“ wie ein Irrer versucht zur Perfektion zu bringen. Auf PlayStation2, gute Zeit! Und auch, wenn ich die kleine Plastikgitarre lange nicht in der Hand gehalten habe behaupte ich, das Intro-Riff aus Grün und Gelb im Wechsel mit Rot und Blau im Schlaf runterklackern zu können.

So viel zu meinem Kennenlernen mit System Of A Down als Band. Wie fiel der Groschen also speziell auf „Steal This Album!“? Es mag jetzt enttäuschen oder langweilig klingen, aber ich gehöre zu der Kategorie Mensch der gerne ohne Plan in CD- oder Elektronikläden geht und in aller Seelenruhe CD- und Vinylregale abklappert. Zur damaligen Zeit war diese Beschäftigung noch deutlich spannender als heute, weil mir, vor dem Zeitalter von Streaming, quasi bei jedem Einkauf irgendetwas Neues in die Hände fiel, was ich einfach noch nicht kannte. Bei zum Beispiel Iron Maiden oder Metallica standen mir bei jedem Besuch gefühlte zehn neue CDs vor der Nase, die beim letzten Besuch schon verkauft waren. Und so kam der Tag, an dem ich mich durch das Hard and Heavy-Regal arbeitete, beim Buchstaben „S“ und seinem letzten Ableger „System Of A Down“ ankam und dort kein anderes Album stand als „Steal This Album!“, auffällig durch ein extrem schlichtes Cover, auf dem ein CD-Rohling abgedruckt ist und den darauf geschriebenen Buchstaben des Albumtitels. Die hier getarnte Aufforderung zur Straftat orientiert sich übrigens an einem Buch aus den 1960ern, welches „Steal This Book“ hieß. Von diesem Jucks angetan und aufgrund der nicht sonderlich ergiebigen Auswahl der vorrätigen Alben der Band fuhr „Steal This Album!“ an diesem Tag mit mir nach Hause, um sich von dort an nicht als mein Favorit im Gesamtwerk der Gruppe, aber doch als kurzweiliger Begleiter bis heute zu erhalten.

„Steal This Album!“ entstand im Kontext zu „Toxicity“ als eine Art Folgealbum bestehend aus B-Seiten. Laut Band handelt es sich dabei aber keineswegs um eine Resteverwertung, sondern um die Beendigung des Projekts „Toxicity“, um den Kopf wieder frei für Neues zu haben. Obwohl dieses Album im zeitlichen Kontext vor den bereits angeschnittenen Machtwerken „Mezmerize“ und „Hypnotize“ steht, weiß man auch bei der vor 20 Jahren erschienenen Platte schon zu Beginn („Chic ‚N‘ Stu“) was man bekommt: Wahnwitz, Chaos und Serj Tankian in bester Brüllmanier. Sontitel wie „Boom!“, „I-E-A-I-A-I-O“ oder “Fuck The System” versprechen nicht zu viel. Was System Of A Down hier als Nicht-Resteverwertung deklarieren, entspricht wohl den Traumvorstellungen manch anderer Bands, denen diese Werke nicht eingefallen sind. Dass Serj zwischen Tonlagen und undefinierbaren Lauten hin und her hüpft wie ein aufgescheuchter Hahn mag teilweise unkontrolliert klingen, macht für mich aber nach wie vor die Musik dieser Band aus. Und dann gibt es da noch IHN. DEN EINEN. Diesen einen Song, den ich dann doch oft auf einer Platte finde. Der, den ich gefühlt 300 Mal in meinem Leben angehört habe. Auf „Steal This Album!“ ist es der Titel „Roulette“. Auf einmal ganz anders. Ruhig und emotional. In dem Serj Tankian wirklich singt, und nicht brüllt. Die musikalische Darbietung aus gezupfter Gitarre und Streichern bereitet ein Bett, in das man nur noch hineinfallen muss, um drei Minuten und 21 Sekunden gänzlich abzuschalten. Bis auf diese kurze Pause ist das Album aber in der Manier von System Of A Down eher darauf ausgelegt, Fans und Publikum eskalieren zu lassen. Die Leute staunen zu lassen, zwischen "Was zum Himmel..." und "Ist das gut!".

Fazit