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Porridge Radio und „Waterslide, Diving Board, Ladder To The Sky“: Achterbahn der Gefühle

Die Indie-Lieblinge Porridge Radio sind zurück. „Waterslide, Diving Board, Ladder To The Sky“ ist eine brutal ehrliche Abrechnung mit dem Leben und der eigenen Gefühlswelt, der ein bisschen weniger Raffinesse gut getan hätte.
Albumcover. ein Sprungbrett, eine Wasserrutsche und eine Treppe in den Himmel

Für Porridge Radio um Dana Margolin hat sich viel verändert, seit sie im März 2020 ihr zweites Album „Every Bad“ veröffentlicht hatten: Zuspruch von Kritiker*innen, eine Mercury-Prize-Nominierung, ein Umzug von der Küstenstadt Brighton nach London, aber natürlich auch The Big C: Die Corona-Pandemie verhinderte, dass die Band die Songs auf die Bühne tragen konnte. Nun folgt mit „Waterslide, Diving Board, Ladder To The Sky“ der Nachfolger und setzt nahtlos da an, wo „Every Bad“ aufgehört hat.

Zu Beginn steht wie ein Programm „Back To The Radio“. Und was für ein Opener das ist! Von dem crescendo-artig anschwellenden Feedback der Gitarren, der darüberliegenden, scheinbar völlig unbeteiligt-naiven Synthie-Figur und Margolins gleichzeitig starker und verletzlicher Stimme wird man beim Hören gleichzeitig plattgedrückt und emporgehoben. „And you’re looking to me, but I’m so unprepared for it/Nothing’s the same and I swear that I’m haunted“, singt sie darin und es nicht klar, ob sie sich an einen geliebten Menschen oder die Fans ihrer Band wendet.

Leider bremst „Waterslides…“ dieses Momentum schon im folgenden Song „Trying“ wieder aus und wird sehr laid-back. Die zweifelnde Stimmung dieser beiden Songs ist jedoch etwas, das sich durch das ganze Album zieht, ebenso wie das Motiv der Isolation, das zwischen dem Wunsch nach Ruhe und dem Gefühl der Einsamkeit changiert.

Am stärksten ist das Album in den Momenten, in denen es sich der Wall of Sound hingibt, die der Opener schon vorgezeichnet hat, wenn Gitarren, Synthie, die stampfende Bassdrum und Chorgesang den auf ein Mantra heruntergebrochenen, immer wieder wiederholten Text akzentuieren: „I don’t wanna be loved“ („Birthday Party“), „Back and back and back and…“ („U Can Be Happy If you Want To“) oder „Don’t cut me out“ („Splintered“).

Das soll ich nicht heißen, dass „Waterslides…“ ein Gebetsbuch der Negativität ist. Dana Margolin erklärt, dass es ihr darum ging, einzufangen, dass Gefühle und Gefühlszustände selten binär gut oder schlecht sind. Kathartische, vielleicht sogar destruktive Momente sind notwendig, um dem Leben wieder positiv entgegenzutreten. Es ist okay, sich einzugestehen, dass einem bestimmte Menschen nicht gut tun , auch wenn das ein schmerzhafter Prozess ist („Splintered“) und manchmal muss man sich eben zusammenreißen, um die Pflanzen zu gießen, aber gewinnt durch sie wieder ein Stück mehr Lebensfreude, wie in „Flowers“.

Fazit

6.7
Wertung

Porridge Radio sind immer dann am besten, wenn sie Raffinessen in Text und Musik beiseitelegen und das rohe Gefühl die Überhand gewinnt. „Waterslides…“ ist eine emotionale Achterbahnfahrt, auf die es schon alleine wegen des großartigen Openers lohnt, sich einzulassen.

Steffen Schindler