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Flittern und ihr selbstbetiteltes Album: Warum war ich Punk?

Gerade bei Debütalben macht man sich gerne Gedanken über die Ableitung des Bandnamen. Allerdings lassen einem Flittern dafür auf ihrem Self-Titled-Album keine Gelegenheit. Denn das Album strotzt nur so vor Intelligenten Lyrics, Witz und jeder Menge Tiefgang.

Es bedarf einiges an Talent, monumentale Zeilen direkt auf die sprichwörtliche Zwölf zu liefern. Und doch ist das Debüt von Flittern gespickt davon. In einer hymnischen Manier startet „Delirium“ in das Album und erstickt die selbst kurz geschaffene gute Laune im Keim mit Resignation und stumpfem Realismus.

„Alle, die mir was bedeuten sind in Therapie.“

Eine Hymne gegen realitätsfremde Lebensentwürfe, voll mit Reisen, Drogen und ständig bunten Bildern in den sozialen Medien.

Mit Blick auf die Tracklist wird auch klar, dass der Spaß hier auch eher zu kurz kommt. Und auch hier trügt der Schein, denn trotz, vielleicht auch gerade wegen der Resignation stiftenden Aufzählung, woran wir dereinst mal zu Grunde gehen werden, stimmt einen die im Refrain vorgetragene Aufforderung „Willst du mit mir aussterben gehen“ keinesfalls traurig, man kann eigentlich nur lachend ja sagen.

„Alman Angst“ ist dagegen die Antwort auf das Phänomen der German Angst und dass die Antwort auf die meisten unserer „Probleme“ „Weiße Privilegien“ ist. Das ist einfach perfekt auf den Punkt gebracht und eine bittere Erkenntnis der fehlenden Diversität in den eigenen Reihen.

Weg von dem angepoppten Punk zu einer, der Stimmung recht zuträglichen, ruhigeren Indienummer, die mit ein paar Streichern passend unterlegt ist. „Denkmal“ ist die Trauer um eine Legacy, die man nicht hinterlassen wird, den Eindruck, der über den Tod hinaus bleiben wird.

Der Punkrock verbirgt nicht die Trauer auf diesem Album und die Angst ob der eigenen Vergänglichkeit. Vielmehr ist es das Rausbrechen aus dem Alter der geglaubten Unsterblichkeit, hin in ein Leben, in dem man dem eigenen Nachwuchs dabei zusieht, wie sie selber mit dem Gedanken niemals sterben zu müssen aufwächst. So gesehen haben Flittern hier eines der besten Coming-Off-Age Alben seit einer Ewigkeit fabriziert. Dazu die Emanzipation von der eigenen Jugend und der eigenen Herkunft, im Fall von Flittern ging es vom Dorf in die große Stadt. Das lässt sich womöglich in einem anderen Genre besser kommunizieren, Flittern spielen aber Punk und machen ihre Sache so hervorragend wie nur möglich.

Dieses Album ist die Punkfibel für all jene, die gerade dabei sind zu vergessen, warum sie vor kurzem eigentlich noch Punk waren. Denn Flittern sagen es ihnen. Das Self-Titled-Album spricht über Missstände, ohne zu vergessen, dass sie selber Teil von Missständen sind. Das ist intelligent, humorvoll und irgendwie auch zu Tode betrübend schön.

Fazit

8.3
Wertung

Wenn Resignation ein Album wäre, dann hätte sich Flittern zumindest daran orientiert. Denn es ist erstaunlich, wie ein Album trotz so viel Schwere eine solche Leichtigkeit vermitteln kann.

Moritz Zelkowicz