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Das musikalische Fashion-Alphabet

Wir sind ja auch das Fanzine für gute Moderatschläge. Deswegen erklären wir an dieser Stelle in 26 Stichworten, wie man seine Liebe zur Musik auch nach Außen repräsentieren kann und wer das besonders gut macht.
Fashion Alphabet

A wie Adidas

Run DMC steigerten Ende der 80er den Umsatz des Sportartikels aus Herzogenaurauch unter den Fans des damals noch jungen Hip Hop. Damit wurden sie die erste Musikgruppe, die von einer Modemarke gesponsert wurde.

B wie basic black T-shirt

Grundstock eines jeden Musiker:innen-Kleiderschranks, der/die A) zu wenig arrogant ist, sein/ ihr eigenes Merch auf der Bühne zu tragen B) zu arrogant ist, um mit dem Tragen von Merch anderer Künstler:innen auszudrücken, dass man die auch mögen könnte, oder C) zu unkreativ ist, um sich ein cooleres Outfit auszudenken.

C wie Corpsepaint

Fans und Künstler:innen aus dem Kosmos Black Metal werden von Uneingeweihten aufgrund dieser exzentrischen Schminkart oftmals entweder als frisch verlassene Liebhaber:innen oder frisch diagnostizierte Insomniepatient:innen misidentifiziert. Tatsächlich ist es aber einfach nur extrem edgy.

D wie Dark Side of the Moon

Es gibt vermutlich kein Tourshirt, welches öfter getragen wird von Menschen, die niemals Pink Floyd live gesehen haben. Und doch gehört es zu den absoluten Top-Anwärtern der am meisten getragenen Bandshirts (→Rolling Stones Zunge).

E wie EMP

Wenn dein Cursor zu den Teufelshörnern wird, die du beim nächsten Konzert in die Luft recken möchtest, weißt du, hier findest du das Outfit dafür. Neben Shirts, Shorts, Jacken, Socken, Tassen und Fußmatten von Bands aus jedem Härtegrad der gitarrenlastigen Musik (→Guns ´n‘ Roses) gibt es bei EMP auch Shirts, Shorts, Jacken, Socken, Tassen und Fußmatten mit Seriencharakteren, Videospielfiguren und mehr oder weniger lustigen Sprüchen.

F wie Flanell

Von den Folkrockern und Country-Sängern zu Grunge-Bands und →Indie-Pop-Rock-Newcomern: karierte Flanellhemden symbolisieren Authentizität, harte Arbeit und Männlichkeit. Wann ein Holzfällerhemd das letzte Mal tatsächlich bei einer körperlich anstrengenden Tätigkeit  getragen wurde, ist nicht dokumentiert.

G wie Guns'n‘Roses

Das Gefühl der raschen Sozialisierung mit einer Person, welche ein Shirt derselben Band trägt wie man selbst, dürfte innigen Guns'n'Roses Fans vollkommen fremd sein. Ein Musterbeispiel von Bands, die bei vielen Menschen wohl berühmter für Shirts sind, als für ihre Musik (→Dark Side of the Moon).

H wie Hair Metal

Gemeinhin bekannt als die Zeitperiode zwischen 1980 und 1990, in der die Rockmusik, für klinisch tot befunden (→Yngwie Malmsteen), in einer Kippenschachtel unter Slash’s Zylinder ausha(a)rrte, bevor sie von Kurt Cobain mit einem Flanellhemd und einer Flasche Wasserstoffperoxid zu neuem Leben erweckt wurde.

I wie Indie-Pop-Rock Newcomer

Die hellbraune Cordhose, ein weißes Leinenhemd (hochgekrempelt natürlich), ein Fedora, idealerweise aus Stroh auf der wallenden blonden Mähne, eine vollkommen zu recht veraltete und viel zu kleine Sonnenbrille, fertig ist er. Mit Gitarre ausgestattet verbreitet er Angst und Schrecken an Lagerfeuern und in örtlichen Irish Pubs, wo er gegen zwei Bier den Alleinunterhalter spielen darf. Die zwei Bier muss er dem Barmann vor Beginn des Auftritts ausgeben. Einzig individualitätsstiftend ist sein Schuhwerk, in welches er wohl einen Hauch zu viel interpretiert. Von Birkenstocks, über Sandalen oder einem klobigen massiven Lederschuh, er hat gewiss eine spannende Geschichte, „warum dieser Schuh sein Leben verändert hat“.

J wie J-Rock

Obwohl Japan eher für ästhetisches Understatement bekannt ist, lebt gerade dort der visuelle Exzess der 80er Jahre (→Hair Metal) in der Musik weiter. Bands wie Alice Nine oder Dir En Grey legen ähnlich viel Wert auf ihre Bühnenoutfits wie auf ihre Musik. Und handeln dort nach der Faustregel “Mehr ist mehr”: aus dem mehrlagigen Shibuya-Visual-Kei-Dress, inspiriert von viktorianischen Gehröcken, schaut eine Frisur hervor, die dank auftoupierter Blocksträhnen ungefähr doppelt so groß wirkt wie der Kopf auf dem sie sitzt.

K wie Kutte

Nicht zu verwechseln mit der Arbeitsbekleidung frommer Klostermitarbeiter. Die Kutte ist dem Metalfan, was dem Metalfan das Headbangen ist. Oder dem Metalfan das Nietenarmband. Oder dem Metalfan das Bier. Davon müssen sich auch mindestens 666 Liter in der ärmellosen Jeansjacke (→Patches) versenken, bevor sich das Ding endlich “Kutte” nennen darf.

L wie Leder

Ob als Jacke wie bei den Ramones, als Hose wie bei →Yngwie Malmsteen oder am ganzen Körper wie bei Marylin Manson: gegerbte Tierhaut und Rockmusik gehören einfach zusammen.

M wie Medium

Gemeinhin bekannt als die Kleidergröße, die am Merchstand zumeist als erstes ausverkauft ist (→ XXXL).

N wie Nirvana

Wenn alle paar Jahre die “Rückkehr des Grunge” verkündet wird, darf eines nicht fehlen: Erklärungen von Modeblogs, warum Nirvanas Frontmann Kurt Cobain eine Stilikone ist. Man könnte fast meinen er hätte eigenhändig das Holzfällerhemd (→Flanell) und die zerrissene Jeans erfunden. Seine Vorliebe für Kleider hingegen bleibt meist unerwähnt.

O wie Ordnung im Kleiderschrank

Klar, mit dem Kauf eines Shirts unterstützt man die hart arbeitende Indie-Band (→Siebdruck), deren Konzert einen so begeistert hat. Man hilft, die Bandkasse zu füllen, damit Sprit, Technik und die Menschen bezahlt werden können, die ein solches Konzert überhaupt erst möglich machen. Aber wo soll man das Shirt unterbringen? Genau der gleiche Gedankengang nach jedem einzelnen Konzert hat dazu geführt, dass einem, sobald man die Kleiderschranktür öffnet, eine dreistellige Anzahl an mit Bandlogos bedruckten Shirts entgegenkommt. Also eigentlich auch egal, wenn man das hier jetzt noch mitnimmt, oder?

P wie Patches

Diese vielen noch aus der schürfwundenversehrten Kindheit bekannten Stoffschnipsel werden hier, geziert mit allerlei mehr oder minder furchteinflößenden Metallogos, auf die heilige Jeanskutte(→Kutte) genäht. Die Aufnäher repräsentieren dabei wahlweise die eigene, unangefochtene, “Trueness”, oder aber den unterbewussten Wunsch, zurück in den Sandkasten springen zu wollen, um die nun patchverstärkte Kleidung endlich mal wieder in Mitleidenschaft zu ziehen.

Q wie Qualität

Leider immer noch nicht der Normalfall bei Merchandiseprodukten. Erst langsam wird Bands, Managements und Druckereien klar, dass bei einem T-Shirt, für das man auf dem Konzert 30 Euro bezahlt, alle an der Produktion Beteiligten fair entlohnt gehören und Druck wie Nähte mehr als zwei Waschgänge überstehen sollten.

R wie Rolling-Stones-Zunge

Ob auf einem T-Shirt, als Patch, als Aufkleber auf dem Auto. Überall wird einem die Zunge der Stones entgegengestreckt. War vermutlich eines der ersten „Mode-Bandshirts“ (→Dark Side of the Moon). Und der Zunge geht ein Mythos voraus. Denn sie ist nicht, wie weit verbreitet angenommen von Andy Warhol erdacht, sondern von John Pasche.

S wie Siebdruck

Die Tinte auf siebgedruckten Shirts ist meist vermischt mit dem Blut, dem Schweiß und den Tränen, die das Dasein als DIY-Band mit sich bringt. Aber jedes verkaufte Stück der Kleinauflage  (→Ordnung im Kleiderschrank) bedeutet einen Schritt näher an eine ausgeglichene Bilanz dieser Fahrt in ein Jugendzentrum am anderen Ende von Deutschland.

T wie Turbojugend

Modisch wie eh und je kommen sie daher, die kessen People der Turbojugend. In St. Pauli gegründet, sind sie wohl der berühmteste organisierte Bandfanclub aller Zeiten. Dicht gefolgt von den BTS-Twitterfans, die mit ihrem Shitstorm für die Absetzung von Matthias Matuschik bei Bayern3 gesorgt haben. Aber mit ihren todschicken Jeanskutten (→Kutte), dem Lederkappen-Logo, diversen →Patches und idealerweise selbst mit Lederkappe (→Leder), ausgestattet. Die Kutte darf nicht gewaschen werden, außer es ist Erbrochenes darauf, dann darf eine leichte Reinigung durchgeführt werden. Es wird gemeinhin geraten einfach mit der Kutte Baden zu gehen. Ein modischer Leckerbissen.

U wie Underground

Faustregel: Je unbekannter die Band auf deinem Shirt, desto mehr Street Credibility bringt es dir ein. Das Problem dabei ist, dass die meisten Menschen dann gar nicht erkennen, wie cool du bist.

V wie Vans

Kaum eine Marke steht so sehr für die Individualität und Freigeistigkeit der Hardcoreszene. Von schwarzen Vans über schwarze hohe Vans, schwarze Vans mit weißem Streifen, kaputte oder bemalte schwarze Vans, auf einer Hardcoreshow sieht man sie alle.

W wie Weihnachtspulli

Wann kamen Bands eigentlich auf die Idee, gestrickte Pullover mit Weihnachtsmotiven und ihrem Logo zu vertreiben (→EMP)? Und wann hören sie wieder damit auf auf?

X wie XXXL

Du bist in einem Onlineshop und suchst ein bestimmtes Shirt. Es muss ausverkauft sein, du bist doch viel zu spät. OMG! Es ist noch verfügbar! Du klickst, Größe auswählen, XXXL. XXXL? Du bist 1,75 Groß, rund 85 Kilo schwer, das könnte schon sehr groß sein (→Medium). Was du spürst, ist kurzer Optimismus, dann Trauer, dann nichts mehr.

Y wie Yngwie Malmsteen

Nicht nur an der Gitarre begnadet, auch modisch weit vorne und stilprägend (→ Hair Metal). Lange zerzauste Haare, schwarzes Hemd bis zum Bauchnabel aufgeknöpft. Und natürlich Goldketten satt, bevor es alle gemacht haben. Ein Meister am Kleiderschrank und an der Gitarre.

Z wie Ziggy Stardust

Mit Vokuhila, glitzernden Outfits und einer außerirdisch-androgynen Erscheinung war David Bowies Charakter Ziggy Stardust die Blaupause für den Glam-Rock, der nach der schnöden Naturverbundenheit der Hippies (→ Flanell) endlich wieder beeindruckende Outfits in die Popmusik brachte.