Wir sind Pabst – Interview

Im Gespräch mit dem Berliner Trio über ihre Anfänge, Musik in Zeiten von Corona und warum es eine Interessensvertretung für kleine Clubs und Konzertveranstalter braucht.

Pabst haben sich nicht etwa nach dem katholischen Kirchenoberhaupt, sondern nach einem amerikanischen Billig-Bier benannt – Pabst Blue Ribbon. Das Getränk hatte mal einen Auftritt als Unruhe-Stifter in der South-Park-Folge „White Trash in Trouble“ und genießt auch ansonsten einen eher zweifelhaften Ruf, wahlweise als überhyptes Hipster-Produkt oder verwässerte Plörre. Pabst, die Band, kommt aus Berlin und ist weder überhyped noch verwässert. Aktuell bringt das Trio um Sänger Erik, Drummer Tore und dem Bassisten Tilman ihre neue Platte „Deuce Ex Machina“ an den Mensch, die von uns jüngst zum Album der Woche gekürt wurde. Nach der EP „Skinwalker“ und dem Debüt „Chlorine“ ist es bereits die dritte Veröffentlichung der Band, die ursprünglich gar nicht so lange bestehen sollte: „Pabst war am Anfang eigentlich viel mehr ein Nebending“, erklärt Erik. „Tore und ich hatten zu der Zeit auch noch andere Bands, Tore hatte glaube ich drei und ich zwei. Wir haben das eigentlich nur gemacht, da wir mal eine ‚einfache Rockband‘ gründen wollten, um auch mal wieder ein paar Clubkonzerte zu spielen. Die Vorstellung war so für einen Monat oder zwei.“

Inzwischen gibt es Pabst seit knapp vier Jahren. Erik und Tore spielten zuvor bereits zusammen in unterschiedlichsten Projekten und unter unterschiedlichsten Namen. Einer davon: Fickscheisse. Darauf angesprochen muss Erik kurz lachen: „Fickscheisse war meine erste Band, so 2007 haben wir uns gegründet. Der Name war einfach nur ein Joke. Ein Joke, der dann aber auch relativ schnell nach hinten los ging, weil wir eigentlich nie ein Assi-Image haben wollten, aber man sich das damit natürlich sofort erkauft. Wir haben uns dann umbenannt und den langweiligsten Namen aller Zeiten gegeben: Dann hießen wir ‚Beta‘. Die ganze Sache hat sich dann aber auch schnell wieder aufgelöst. Da gab’s dann nur noch ein paar Hardliner, also uns beide, die weitergemacht haben“. So stößt 2016 Bassist Tilman hinzu, im selben Jahr erscheint die erste EP des frisch gegründeten Trios Pabst.  

Ihr dreckiger Sound, der surrende Fuzz, manchmal ergänzt durch einen Flanger, und nicht zuletzt die Kurt-Cobain-Gedächtnis-Frisuren haben Pabst schon früh Vergleiche mit Grunge-Größen wie Nirvana und anderen 90s-Bands eingehandelt, die sich bis heute halten. Kann das auch mal nerven? Tilman überlegt: „Ne, also nerven nicht“, meint er schließlich. „Es gibt sicher schlechtere Bands, mit denen man verglichen werden könnte. Es kam ja auch tatsächlich schon relativ früh, ich glaube das schwebt jetzt noch ein bisschen mit. Vielleicht haben wir uns da schon ein wenig dran gewöhnt“. Die musikalischen Vorbilder der Berliner sind zwar auch die 90s, doch noch prägender ist für sie das darauffolgende Jahrzehnt: „Wir haben kürzlich mal wieder festgestellt, dass insbesondere für die Musik die wir selbst machen, der frühe Sozialisierungs-Zeitpunkt am wichtigsten ist. Also Musik, die wir vor zehn, fünfzehn, zwanzig Jahren gehört haben und die man teilweise auch ewig vergessen hatte. Eine exemplarische Band dafür wäre zum Beispiel Weezer, die wir auf Tour irgendwann mal wiederentdeckt haben“, so Tilman.

Auf Tour waren Pabst im vergangen Jahr reichlich. Neben ihren eigenen Konzerten spielten sie als Support unter anderem für Bob Mould, Kadavar, Drangsal und die Leoniden. „Drangsal und die Leoniden kannten wir schon länger, die Leoniden sogar schon seit Ewigkeiten“, erklärt Erik. „Eine Mitbewohnerin aus meiner ersten WG war mit dem Schlagzeuger zusammen. Da hatte man gemeinsame Freunde und war sich gegenseitig ein Begriff. Und Drangsal haben wir auf Partys hier in Berlin kennengelernt.“ Als wäre der Terminkalender mit Touren nicht bereits genug gefüllt, haben Pabst zur Veröffentlichung von „Deuce Ex Machina“ zudem ihr eigenes Label gegründet – Ketchup Tracks. „Das ist auf jeden Fall ein Mehr an Arbeit“, meint Tilman. „Wir haben jetzt einmal den ganzen Albumprozess mitbekommen und auch all die Sachen, die üblicherweise links und rechts anfallen und die man sonst vielleicht nicht machen würde. Aber wir haben da auch tatkräftige Unterstützung. Wichtig ist, dass solche Strukturen da sind, damit man seine Musik überhaupt veröffentlichen kann. Wir haben uns in dieses Abenteuer gestürzt und schwimmen gerade noch so knapp unter der Oberfläche.“

Ihr aktuelles Album haben Pabst mit Moses Schneider aufgenommen, einem Produzenten, der dafür bekannt ist, nur „live“, also alle Spuren simultan aufzunehmen. Tore dazu: „Das war auf jeden Fall etwas Neues und auch etwas Gutes. Man hat den Song sofort mehr im Kopf, so wie er dann auch live klingen wird.“ „Was halt eklatant unterschiedlich ist, ist, dass wir die Songs bereits viel fertiger hatten, als wir ins Studio gegangen sind“, ergänzt Tilman. „Beim ersten Album sind wir teilweise noch mit Skizzen angekommen. Das stand dieses Mal gar nicht zu Debatte. Das, was man hatte, wurde genau so aufgenommen.“

„Deuce Ex Machina“ wurde rechtzeitig fertig. Rechtzeitig, nicht unbedingt nur vor der Masterabgabe, sondern auch vor etwaigen Kontaktverboten – Corona war da. „Anfangs konnten wir tatsächlich gar nicht zusammen proben. Ich glaube, wir haben uns zunächst bestimmt sechs, sieben Wochen nicht gesehen. Das war schon arg“, sagt Erik. „Wir haben dann versucht, jeder für sich etwas zu schreiben. Das hat auch bisher ganz gut funktioniert.“ Da unter diesen Umständen natürlich nicht an ein Release-Konzert zu denken war, haben sich Pabst etwas besonderes einfallen lassen: Einen digitalen Festival-Sommer, vor einem Green-Screen und mit Archiv-Aufnahmen der eigentlich vorgesehen Festivals. „Da haben wir uns noch übelst lange den Kopf zerbrochen. Es ging ja im Prinzip darum, unser Release-Konzert zu ersetzen. Also haben wir überlegt, was kann man machen? Einfach nur einen Livestream? Sowas gab's halt schon 200 Mal. Deshalb haben wir da ein bisschen tiefer in die Trickkiste gegriffen.“

Der Digital-Festival-Summer ist sicherlich eines der gelungeneren Beispiele für Corona-Konzertformen, doch ebenso kein Ersatz für echte Konzerte. Noch vor kurzem waren in ganz Deutschland vor allem kleine Clubs und Veranstaltungsorte rot angeleuchtet, um auf ihre dramatische Notlage aufmerksam zu machen. Clubs, in denen sonst Pabst spielen würden. Und während beispielweise der Tourismus wieder anläuft und die ersten Flieger nach Mallorca unterwegs sind, bleiben Konzerte wohl mindestens noch bis zum Herbst verboten. „Was wir in dieser Debatte auf jeden Fall festgestellt haben, ist, dass es den kleinen Veranstaltern und Agenturen massiv an einer Lobby fehlt. Im Gegensatz zum Beispiel zum Tourismus gibt es da niemanden, der mit vereinter Stimme spricht. Das ist natürlich mega traurig und teilweise auch nicht nachvollziehbar, warum die Auflagen für die einen so und für die anderen so gehandhabt werden“, meint Tilman. Bräuchte es demnach also eine Interessenvertretung für die Künstlerszene? „Ich glaube, es geht da nicht nur um die Künstler, sondern vor allem um die Veranstalter und sämtliche andere Personen, die in der Musikbranche involviert sind“, antwortet Erik. „Die Elbphilharmonie in Hamburg oder andere große Kulturstätten werden sicherlich solche Interessenvertretungen haben. Aber so kleine Clubs, wie wir sie zum Beispiel spielen, sind wirtschaftlich wahrscheinlich zu irrelevant. Da müsste man tatsächlich mal über eine komplette Umstrukturierung nachdenken. Es kann nicht länger ein rein wirtschaftlicher Faktor sein, ob diese Strukturen überleben oder nicht. Da muss sich wahrscheinlich tatsächlich mal etwas grundlegend ändern, sonst geht die Sache Ende des Jahres vor die Hunde.“

Ob und wie ihre eigene Tour im Herbst stattfinden kann, ist nach wie vor offen. Wenn alles nach Plan läuft, stehen Pabst am 7. November in Wien wieder auf der Bühne.