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Paula Hartmann mit "kleine Feuer": Leere

Schmerzmittel sind im Deutschrap aktuell ebenso omnipräsent wie toxische Männlichkeit. Allerdings traut sich Paula Hartmann auf ihrem zweiten Album, diese neu zu kontextuieren und überrascht somit nicht nur mit einem ziemlich kontroversen, aber auch sehr starken Featuregast.

Am Ende fahren sie eben nicht in den Sonnenuntergang. Paulas Namensvetterin Ilona Hartmann bringt in ihrem Roman das Gefühl einer ganzen Generation schon mit dem Titel perfekt zusammen: „Klarkommen“. Mit Anfang 20 in Berlin, eigentlich alles da was man zum Leben braucht, viel mehr sogar und trotzdem liegt da diese unendliche Schwere. Ein Fatalismus macht sich breit: "Niemand glaubt mehr, wir verändern was / Ganzer Jahrgang 27 Club“. Bei Paula Hartmann sieht man auch die Entwicklung des Rausches auf den Parties der Großstadt. Waren es die letzten Jahre eher MDMA und Konsorten, spricht Hartmann von Antidepressiva. Kein Rausch, einfach nur Schmerzen betäuben. Natürlich kein neuer Trend, denn T-Low macht das ja schon seit einigen Jahren zum Thema. Allerdings ist es schwierig T-Low für irgendetwas zu Rate zu ziehen, sorgte er mit seinen Exzessen, Entzugsversuchen und wer weiß was für weiteren Skandalen für keine positiven Schlagzeilen. Und doch lädt Paula Hartmann jenen T-Low als Featuregast ein, in einem Song, der die ewige Schmerzmittelanpreisung an den Pranger stellt und sich indirekt mit Folgen auseinandersetzt. Folgen wie Verlust von Beziehungen, Kontrolle oder dem Leben.

„Candy Crash“ baut auf den Exzessen auf, ein Beat, der klingt wie das, was man hinter sich hört, wenn man nach der durchfeierten Nacht aus dem immer noch lärmenden Club stolpert. Wenn von Rausch und Euphorie nur Leere in einem zurückbleibt. Diese Geschichten gipfeln im Song „Snoopy“, in der eine fertige Protagonistin sich nach nicht mehr sehnt als nach der Unbekümmertheit der Kindheit, als man nach dem Spielen nach Hause geht und nicht aus dem Club getragen werden muss.

Doch Drogen und Rausch sind der eine Handlungsstrang auf „kleine Feuer“. Der andere beschäftigt sich mit Liebe und Verlust, besonders dem Gefühl, die Fähigkeit zu Lieben zu verlieren. Ebenso wie das Gefühl, jedes aufkeimende Gefühl von Liebe und Romantik im Keim töten zu müssen, um sich diesem Elend nicht wieder aussetzen zu müssen. Genau das thematisiert sie im Song „DLIT“ oder in „Crossfades“ mit Levin Liam und in „Atlantis“ zusammen mit Trettmann.

„kleine Feuer“ ist Album gewordene Depression. Es schüttet Salzwasser in offene Wunden und bietet sich dennoch selbst als Lösung an, als plakatives schlechtes Beispiel um sich damit selbst zu betäuben. Ein Paradoxon, das Paula Hartmann absolut perfekt erzählt. Auf ein Happy End wartet man vergeblich, die Protagonist*innen aber eben auch.

Fazit

7.5
Wertung

Das Storytelling ist ebenso niederschmetternd wie hervorragend. Geschichten darüber, in dieser Welt zu bestehen und klarkommen zu wollen, lieben zu wollen, geliebt werden zu wollen, das alles ist tiefgründig und unendlich traurig erzählt und genau das macht es so genial.

Moritz Zelkowicz