Die Dinge, die Leftovers auf "Müde" behandeln, sind alles andere als leichte Kost und die dunkle Szenerie des Covers schwebt über großen Teilen der Spieldauer des Albums. Das erste, was man nach dem Einlegen dieser Platte hört, ist die von einer Siri-Stimme vorgelese Definition einer Angststörung. Der dazugehörige Song "System" legt den Fokus direkt zu Beginn weg vom Punk und auf den rockigen Part der hier gewählten Genredefinition. Der Text wird mehr geschrien als wirklich gesungen und die Instrumente der Band sperren den Track in einen agressiven Käfig. "Zertrümmer meinen Brustkorb, ich schenke dir mein Herz!" - wenn der Opener bereits so sitzt, macht das direkt ordentlich Lust auf mehr. Generell sollte hier nicht vom allzu gut bekannten aus drei Akkorden bestehenden Typus Punkrock ausgegangen werden. Leftovers klingen tiefgängiger, dunkler, facettenreicher und ernster.
Die nicht ganz so einfachen Themen lassen im Verlauf des Albums nicht nach. Sangen die Ärzte damals von "Sommer, Palmen, Sonnenschein", würden Leftovers im Direktvergleich den Finger in die Wunde legen und die Gesamtsituation aufgrund von Klimawandel und Dürren in Frage stellen. Doch auch wenn sie das auf diesem Album nicht getan haben, geht es um andere ernstzunehmende Dinge: "Ohne dich", gesungen von Bassistin Anna, dreht sich um eine toxische Beziehung. Was am Anfang noch nach Liebeslied klingt, mündet in Zeilen wie "Ich bin nur ich, wenn du nicht bei mir bist." In "Risse" als weiteres Beispiel geht es um den Umgang mit Rauschmitteln ("Warum trinke ich, obwohl ich weiß, dass es mir nicht gut geht?"). Leftovers machen es sich selbst nicht einfach, und denjenigen, die dieses Album in die Finger bekommen erst recht nicht. Dass alle Bandmitglieder auf "Müde" neben ihren Instrumenten auch Gesangsparts übernehmen, bietet Leftovers enorme Möglichkeiten, ihre Musik auf verschiedenste Art und Weise zu vertonen. Dafür, dass diese Band nicht nur auf dem Papier, sondern auch an Lebensjahren gemessen mit Anfang 20 noch sehr jung daher kommt, brauchen sich Leftovers keineswegs zu verstecken.