Counterparts im Blauen Salon Dresden: Tränen, Licht und Kurzsichtigkeit

Counterparts sagen eine Tour ab, buchen kurz vor knapp eine neue und halten dabei in Dresden. Das klingt für mich alles nach einem sehr komischen Traum, der allerdings schnell genug wahr wurde. Ein Abend voller Emotionen, egal ob Trauer, Freude oder der Wut über Menschen und ihre unüberlegten Taten.

Die pure Freude breitete sich in mir aus, als ich auf dem Counterparts Tourposter den Blauen Salon in Dresden gesehen habe. Hätte ich so nicht für möglich gehalten. Berlin oder Leipzig wäre erwartbar gewesen, Dresden eher so ein Traum, welcher dann kurz vor der ersten Note vom Wecker zu Nichte gemacht wird. Jetzt stehe ich in dem prunkvollen, sehr unpassenden Raum und warte eigentlich nur darauf, dass es losgeht, denn die Getränkepreise sind teuer und ich hab wahnsinnig viel Bock.

Den Anfang machen thrown aus Schweden, welche in der kurz zuvor passierten Reinhörsession eher irrelevant rüberkommen. Wie sehr so etwas irren kann. Von Anfang an ballert das Quartett und schlägt ekelhafte, beatdownartige Breakdowns durch den Ballsaal. Das Publikum mag zwar nicht unbedingt so sehr auftauen, scheint aber trotzdem begeistert von den Jungs. Hier fällt direkt auf, dass das Licht im Blauen Salon sehr hell und auch recht agressiv platziert ist, es leuchtet den Menschen vor der Bühne immer wieder unangenehm ins Gesicht und soll später noch seinen negativen Höhepunkt finden. So schnell wie sie kamen, waren sie auch wieder weg, gefühlt spielen thrown um die 25 Minuten, welche durch die Brutalität und Kürze der Songs aber eher wirkt, als wären es 15.

Relativ flott stehen dann auch schon Justice for the Damned auf der Bühne. Die fünf Australier drehen den Tonus des Abends einmal komplett um 180 Grad und schlagen mit ihrem Blackened Deathcore härter zu, als es ein Profiboxer jemals könnte. Allerdings fehlt hier eine Sache ganz besonders, die Stimmung. Das zündet für mich irgendwie gar nicht, zwar hitten einige Breakdowns megakrass, aber im Großen und Ganzen höre ich vor allem irgendwelche Black Metal Instrumentals, auf denen brutalste Growls und Screams Platz finden, die teilweise eher deplatziert wirken. Der ganze Gig wirkt auch etwas in die Länge gezogen, was an der fehlenden Diversität der Songs liegen könnte. Dieses Genre ist einfach gar nicht meine Musik und das merke ich hier erneut. Hier wird das Licht dann auch wahnsinnig anstrengend. Manchmal geht das so weit, dass es in den Augen wehtut und ich beim fotografieren diese abschirmen muss. Wie schlimm das abzulichten ist, führe ich hier jetzt mal nicht aus. Kleiner Downer der Gig, vor allem weil ich mir davon etwas mehr erhofft hatte.

Dann aber Counterparts und meine Fresse wie sehr. Angefangen mit „Whispers of Your Death“ kennt der Laden absolut gar kein Halten mehr. Ein einziges Gebrüll durchschallt den Raum und die vier Kanadier um Brendan Murphy müssen dagegen anhalten. Von 0 auf 100 in nicht mal einer Sekunde. Emotionen kochen so sehr, dass all diese Songs Brendan direkt die Tränen ins Gesicht treiben und nicht nur ihm, auch mir und genug anderen. Auf die gesammelten „Kuma“-Chöre winkt Brendan ab, es schmerzt zu sehr. Das war seine krebskranke Katze, der einige Songs auf dem gerade erschienenen Album „A Eulogy For Those Still Here“ gewidmet sind und welche erst vor Kurzem den Kampf verloren hat. Der Schlag sitzt tief, noch immer. Doch all das sieht man dem Frontmann (zunächst) nicht mehr an. Er und der Rest der Band legen eine Performance par excellence hin und spielen eine wahnsinnig gute und vor allem lange Setlist, etwas, dass man von Counterparts nicht unbedingt gewohnt ist. „Compass“, „Your Own Knife“, „Monument“, „No Servant of Mine“ und natürlich genug vom neuen Album finden Platz. Am Schluss fehlen eigentlich nur noch „You‘re Not You Anymore“ und der bekannteste Song der Kanadier „The Disconnect“. Doch nach „A Mass Grave of Saints“ folgen unbeantwortete Rufe nach einer Zugabe. Die Auflösung dazu soll bis zum nächsten Tag warten, denn Brendan war zu fertig mit allem, es war ihm zu viel und wer da jetzt noch sauer ist, keine Zugabe bekommen zu haben, ist einfach ein doofer Mensch. Denn es sollte nicht vergessen werden, dass Counterparts mal eben trotzdem eine ganze Stunde Melodic-Hardcore durch den poshen Club geballert und eine makellose Performance aufs Parkett gelegt hat, welches so noch lange in meinem Kopf bleiben wird.

Hier folgt jetzt nur noch ein Rant über Menschen, die leider nicht genug nachdenken. Ihr könnt also auch einfach abschalten, das musste nur mal raus!

Alles in allem war das ein Abend, welchen ich so lange Mal wieder herbeigesehnt habe. Eine meiner Lieblingsbands spielt in der Stadt, in der ich wohne. Ich brauche kein Hotel, keinen Flixbus um 3 Uhr morgens und auch keine große Planung oder finanziellen Aufwand. Einfach hinfahren, angucken, nach Hause fahren, duschen und ins Bett. Allerdings habe ich hier mal wieder etwas gemerkt, dass es einigen Leuten auf solchen Shows an gesundem Verstand und Respekt fehlt. Klar kannst du auf solchen Konzerten abgehen und all deine Energie rauslassen, vollkommen in Ordnung, mach ich ja auch, jedoch bist du nicht allein da und das scheinen ein paar Typen nicht so wirklich gerafft zu haben. Spaß haben und das überschüssige Adrenalin in den Pit pumpen ist das eine, es ist jedoch etwas anderes, von der Bühne auf Leute zu springen, welche entweder gar keinen Bock auf dich haben, unter deinem Gewicht komplett zusammenbrechen könnten, dich nicht angucken oder die gerade ganz klar und sichtbar eine ziemlich teure Kamera in die Luft halten und versuchen trotz eigener Ekstase ihrem Job nachzugehen. Und nichts rechtfertigt es, dass man seine Beine absichtlich gefährlich nahe an mit Brillen verzierten Köpfen schwingt. Ich mag sowohl meine Kamera als auch meine künstliche Sehkraft und möchte mit heilem Equipment, Brille und Knochen zu Hause ankommen, ob ihr das bei eurem Zeug und Knochen wollt, ist mir persönlich egal.

Noch eine Schicht drunter sind allerdings die Menschen, welche andere Besucher*innen in den Pit ziehen wollen oder anspringen, auch wenn sie darauf sichtlich keinen Bock haben und am Rand stehen oder auch der Typ, der einfach direkt außerhalb des Pits anfangen hat Violent Dancing zu betreiben, raff ich nicht, dabei war ich schon oft genug auf solchen Shows. Gegenseitiger Respekt fängt nämlich nicht an dem Punkt an, an welchem es euch und euer handeln betrifft und ihr euch wohlfühlt! Macht so ne Scheiße einfach nicht bzw. nur mit denen, die da auch Bock drauf haben und gut ist! So haben alle nen schönen Abend und nicht nur ihr. Und bevor mir jetzt jemand mit „Dann geh nicht hin!“, „Dann bleib hinten!“ und sonstigem Blabla kommt, Konzerte sind für alle da, überall und das sollte auch so bleiben!