Kolumne

Streampunks #01: Neues aus dem Äther

Einmal im Monat stellt Kai in dieser Kolumne neue Musik vor, die ihm die Algorithmen diverser Streaming-Anbieter so in den Feed spülen. In der ersten Ausgabe unter anderem mit Strahlemann, Petrol Girls und Dvne.

Da hört man sich nichtsahnend so durch die eigens für den persönlichen Musikgeschmack erstellten Playlisten und Mixtapes und auf einmal erklingt eine bekannte Stimme. Man schaut auf sein Handy und da überkommt einen auch schon dieses tiefgreifende Gefühl von “nicht schon wieder!” Ja richtig, Tom Morello hat einen Song mit meiner Lieblings-Post-Punk-Band Idles gemacht. Muss dieser omnipräsente Altherrenrocker einem eigentlich alles kaputt machen?! Zugegeben, verglichen mit seinem sonstigen Output ist der Song “The Bachelor” gar nicht mal so schlecht, aber das wird wirklich alles nur von Idles getragen! Dieses komische Crossover ist nur eines von sehr sehr vielen komischen Musikerlebnissen, die mir “Dein Mix der Woche” und Co. diesen Monat beschert haben. Der Song “Unstet” der deutschen Indie-Band Nullmillimeter klingt zum Beispiel, als würde Anke Engelke aus einem schlecht übersetzten James-Joyce-Roman vorlesen. Besser kann ich das wirklich nicht beschreiben. Darüber hinaus gab’s natürlich auch wieder eine Flut an vergesslichen Punk- und Metalformationen aus allen möglichen Nischen, die die Genreklischees mal mehr und mal weniger bedienen. Alles nix besonderes.

Umso positiver Fallen da die paar Perlen auf, die sich im Meer der Empfehlungsalgorithmen den Weg an die Oberfläche meines Bewusstseins strampeln konnten. Unter Anderem tauchten da alte Bekannte in Form der Progressive-Stoner-Metal-Band Dvne auf (aufmerksame Hörer:innen des Plattensprung werden sich vielleicht erinnern). Benannt nach dem legendären Science-Fiction-Roman von Frank Herbert knüppelt sich dieses Quintett aus Edinburgh mit grummeligen Riffs und hier und da einigen spicy Ausflügen in psychedelische Gefilde durch die düstere Welt des Wüstenplaneten. Große Empfehlung für Leute, die Sachen wie Bossk, Cult Of Luna oder The Ocean mögen.

Post-Punk-Vibes in allerlei bunten Gewändern kommen diesen Monat von Künstler:innen wie Strange Bones, Calva Louise, Swutscher und Oehl. Letzterer versucht sich mit seinem Track “Arbeit” wie so viele andere an einem Spagat zwischen Indie, Post-Punk und Pop mit einer Spur Wiener Spitzfindigkeit und ganz viel Melancholie. Die große Faszination, die die Band Parcels auf viele ausübt, kann ich dagegen auch nach mehrmaligen Begegnungen, zuletzt mit dem Track “Thefear”, nicht ganz nachvollziehen. Klare Ansagen gegen Machokultur und Sexismus kommen von Christin Nichols und Petrol Girls, eine der elektrisierendsten Punkbands, die ich seit langem gehört habe. “Baby, I Had An Abortion” ist nicht nur ein makaber witziger Song-Titel, sondern auch eine wunderbar rotzige Empowermenthymne.

Um den Titel beste Namensideen konkurrieren die Hamburger Band School of Zuversicht und Sons of Raphael mit dem grandiosen Albumtitel “Full-Throated Messianic Homage”. Meinen Song des Monats liefern Strahlemann mit ihrer wahnsinnig tollen Debütsingle “Die Sonne scheint nur für mich”.