Die Geschichte eines Songs: Black Midi – „Near DT, MI“

Songs erzählen Geschichten – wahre, erfundene und angedeutete. Wir erzählen sie nach. In der ersten Folge dieses Formats geht es um Black Midis "Near DT, MI“ und die Flint-Water-Crisis von 2014.

He sleeps alone

He drinks alone

Outside

His home

Nahe Detroit, Michigan. "Welcome to Vehicle City" steht noch immer auf den Begrüßungsschildern vor Flint, der Geburtsstadt des ehemals größten Autobauers der Welt, General Motors. Doch die Tage von Flint sind gezählt. Nachdem in den 80er-Jahren die Autoindustrie fast vollständig wegzog, nach der Finanzkrise von 2009, ist die ehemals wohlhabende Gemeinde Flint von 200.000 auf knapp 100.000 Einwohner geschrumpft. Wer gehen kann, geht. Leerstehende Häuser säumen die Straßenränder. Die einzigen Geschäfte, die hier noch florieren, sind Liquor-Stores und Tabakläden. Um der klammen Finanzlage von Flint Herr zu werden, greift der republikanische Gouverneur Rick Snyder schließlich zu einer drastischen Maßnahme: Wie auch in anderen – mehrheitlich schwarzen – Städten des Bundesstaats, entmachtet Snyder den gewählten Bürgermeister der Stadt und setzt einen „Notfallmanager“ ein, mit nahezu unbegrenzten Befugnissen.

They're loving the water, they breathe in the water

They fight in the water, they're fixing the water

What's in the water? Here in the water

Jener Notfallmanager ist es, der im Frühjahr 2014 den Vertrag mit den Wasserwerken Detroit aus Kostengründen aufkündigt. Stattdessen soll das Wasser der Stadt nun direkt aus dem Flint River bezogen werden. Die Skepsis der Einwohner ist groß, schließlich wurden jahrzehntelang Industrieabwasser im Fluss entsorgt. Dennoch geht die neue Wasserversorgung ans Netz.

And I see you hide

Das Wasser sei unbedenklich, heißt es von offizieller Stelle. Doch warum lassen sich die Verwaltungsangestellten dann Trinkwasser in Flaschen in ihre Büros bringen?

I'm alive and I can see

The water is foul and it's hard to breathe

There's lead in the water, there's lead in the water

There's lead in the water and you think that I'm fine

Schon kurz nach der Umstellung beschweren sich Bewohner über die faulig riechende Brühe, die mal gelb, mal grün aus ihren Hähnen kommt. Bald melden sich die ersten mit gesundheitlichen Beschwerden – Haarausfall, Ausschläge, Übelkeit. Sie stellen Fragen an die Stadtverwaltung, doch die wiegelt ab. Im Sommer gibt Michigans Umweltbehörde die Anweisung aus, das Wasser nur noch abgekocht zu verzehren. E-Coli-Bakterien werden gefunden, die starke Durchfallerkrankungen auslösen können. Der Verdacht kommt auf, dass Blei für manche der Krankheitssymptome verantwortlich sein könnte. Dennoch bleiben die Stadtbehörden bei ihrer Aussage, das Wasser sei ungefährlich.

I'm stained by the water and only the water

I'm drained by the water, are you losing your mind?

Im Herbst kehrt das verbliebende General-Motors-Werk zur alten Wasserversorgung zurück und lässt sich von nun an wieder aus Detroit beliefern. Das Wasser aus dem Fluss hatte zuvor Korrosionsschäden an den Motorenteilen verursacht. Die Bewohner der Stadt hingegen bekommen weiterhin die verseuchte Brühe. Für sie ist eine Rückkehr zur alten Wasserversorgung ausgeschlossen – "zu teuer", meint der Stadtverwalter.

Dead in the water, dead in the water

Ende 2015 kommt die Wahrheit ans Licht: Das aggressive Flusswasser hatte Blei aus den alten Leitungen geätzt und rund 100.000 Menschen nachhaltig vergiftet. Stellenweise waren die Bleiwerte sogar dreimal höher als bei Flüssigkeiten, die als „Giftmüll“ klassifiziert werden. Die Kontamination hätte leicht vermieden werden können, hätte man das Wasser wie standardmäßig vorgesehen mit entsprechenden Chemikalien behandelt – doch hätte diese Prozedur ca. 100$ pro Tag gekostet. Im Zuge der "Flint Watercrisis" infizierten sich 87 Menschen mit der Legionärskrankheit, 12 von ihnen starben. Auch nach der Rückkehr zum alten System blieben die Leitungen von Flint für lange Zeit verseucht.