Unter dem Radar #8: Donnokov

Während das digitale Zeitalter die Reizüberflutung immer weiter steigert und der Druck der Leistungsgesellschaft stetig größer wird, fragt sich eine junge Generation, was sie eigentlich mit sich selbst anfangen soll. Donnokov haben darauf noch keine definitive Antwort – aber Selbstreflexion ist der erste Schritt zur Besserung.

Gründung: 2016
Heimatstadt: Jena
Genre: Post-Hardcore, Post-Punk
Bisher veröffentlicht: „Donnokov“-EP
Für Fans von: Fjørt, City Light Thief, Escapado

„Natürlich habe ich ein Problem – aber im Endeffekt auch ein Luxusproblem“, konstatiert Donnokov-Sänger Jonas Wohlfeld seinen aktuellen Gefühlszustand. „Eigentlich müsste man nur mal den Arsch hochkriegen und irgendwas machen. Da frage ich mich dann manchmal, ob sich meine Gedanken überhaupt rechtfertigen lassen.“ Wohlfeld wirkt fast pragmatisch, während er diese Bestandsaufnahme gibt, aber die Musik seiner Band belegt ziemlich eindeutig, dass diese Gedanken kein Gegenstand einer nüchternen Selbstanalyse sind, sondern das Produkt tiefergehender Belastung.

Donnokov sitzen im spärlich beleuchteten Nebenzimmer einer Kneipe unter der Hamburger Sternbrücke. Das Jenaer Trio ist hier, weil es am heutigen Abend eine Show in der gegenüberliegenden Astrastube spielen soll – das erste Konzert überhaupt in Hamburg. Von nebenan tönt dröhnend laute Disco-Musik, alle zehn Minuten bringt eine über die Bar fahrende Bahn die Wände zusätzlich zum Erzittern. Die Umstände für ein intimes Gespräch sind demzufolge mehr als widrig – und doch gibt die Band sehr schnell auch sehr persönliche Kommentare ab. Gerade „Amoralisch“, der abschließende Song ihrer ersten selbstbetitelten EP, scheint im gesamten Band-Kollektiv tiefgehende Assoziationen zu wecken. „In der Generation meiner Eltern lief vieles anders als bei uns“, schildert Drummer Lucas Bruckschlegel seine Sichtweise auf den Song. „Es hat sich im Vergleich zu damals einiges geändert, und eher zum Negativen. Man weiß nicht, wohin man mit seinem Leben soll, weil man durchgängig mit allem überfordert ist. Es gibt da draußen einfach viel zu viel. Ich glaube, dass Social Media einen entscheidenden Teil dazu beiträgt.“ Dabei war Wohlfeld, der der textliche Urheber von „Amoralisch“ ist, die Einigkeit seiner Band zu diesem Thema anfangs noch gar nicht klar: „Als ich begonnen habe zu schreiben, ging es in dem Text eigentlich um mich. Erst später habe ich gemerkt, dass er von einem allgemeinen Problem erzählt."

Dass Donnokov auch solche Probleme miteinander teilen können, ist ein entscheidender Grund dafür, dass sie überhaupt in dieser Konstellation zusammenspielen. Bruckschlegel und Donnokov-Gitarrist Fabian Kunze machen bereits seit der Schulzeit gemeinsam Musik, 2014 stößt Wohlfeld zur gemeinsamen Band hinzu, die damals noch unter anderem Namen und als Quartett agiert. Im Laufe der Jahre entfremdet sich die Konstellation. Bruckschlegel, Kunze und Wohlfeld sind sich aber sicher, gemeinsam weiter Musik machen zu wollen. Den Namen ihrer Band leiten sie vom Spitznamen ihres Sängers ab, der von Kunze und Bruckschlegel nur „Donni“ genannt wird. „Eigentlich wollten wir von dieser Viererkonstellation auch gar nicht weg. Wir haben ein Jahr im Proberaum verbracht, Zeug geschrieben und Demos aufgenommen“, erzählt Kunze. „Dabei haben wir dann immer noch gesagt, dass wir jemanden finden werden, der für uns die Gitarre macht. Irgendwann haben wir dann aber festgestellt, dass wir aus Jena kommen und das gar nicht so einfach ist.“ „Die menschliche Komponente war uns da sehr wichtig“, ergänzt Bruckschlegel. „Wir wollten niemanden haben, der einfach nur ein krasser Instrumentalist ist, aber gar nicht zu uns passt. Im Endeffekt sind wir drei aber alle ganz froh darüber, dass es jetzt so gekommen ist.“

Der neue Weg als Trio bedeutet für Donnokov nämlich auch, musikalisch das fehlende Mitglied ausgleichen zu müssen. Deswegen spielt der Bass nun im Vergleich zur Vorgänger-Band eine wesentlich präsentere Rolle und Kunze hat seine Rolle als Hauptsänger aufgegeben und unterstützt Wohlfeld nun mit Geschrei. Vor allem aber klingen Donnokov stilistisch ganz anders als die damalige Schülerband. Bluesiger Alternative ist düsterem Post-Hardcore gewichen, der das Trio als wesentlich reflektierter und in sich gekehrter zu beschreiben vermag. Andernfalls wäre die Band wohl auch gar nicht in der Lage einen Song wie „Aber“ zu schaffen, den Wohlfeld über das Beziehungsende eines Freundes geschrieben hat. „Ich finde es krass, dass er es in seiner Textarbeit oft schafft, Inspirationen aus konkreten Situationen oder Bildern zu nehmen“, kommentiert Kunze Wohlfelds Werk. „So etwas würde ich auch gerne hinkriegen, wenn ich etwas schreibe. Aber da kann ich mich einfach nicht gut genug reinfühlen.“ Dabei hält sich die Band bewusst offen in ihrer Lyrik. Der EP-Opener „Gleich wieder gehen“ klingt zuerst ebenfalls wie ein Beziehungsdrama, ist aber ganz anders gemeint. „Als ich den Text geschrieben habe, habe ich eigentlich an Björn Höcke gedacht“, erklärt Wohlfeld und legt dabei gleichzeitig den beißenden Sarkasmus des Textes dar.

Je länger man sich mit Donnokov unterhält, desto klarer wird, dass die einstigen Mitglieder der aufgelösten Schülerband das Projekt Musik nicht mehr nur noch als intensives Hobby betreiben, sondern daraus die notwendigste Komponente ihres Daseins machen. Die Songs des Trios sind die selbstgeschaffene Katharsis einer Band, die sich außerhalb ihres künstlerischen Schaffens oft orientierungslos fühlt. Die klare Sicht auf ihr musikalisches Projekt wirkt dabei wie ein Leuchtturm im Nebel. Die Ziele für das kommende Jahr sind deswegen bereits klar gesetzt: Das Trio will so viel es geht live spielen, eine weitere EP steckt bereits in den Kinderschuhen. Donnokov werden so mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen endgültigen Ausweg aus all ihren Sorgen finden, aber vielleicht ein Ventil, das alles ein Stück leichter machen kann. „Manchmal bin ich auch gern traurig“, sagt Wohlfeld. Ein kleines Lächeln huscht dabei über sein Gesicht.