Unter dem Radar #5: Leto

Der Frontmann von 30 Seconds To Mars, der Antiheld in einem französischen Gangsterfilm oder eine Hamburger Band - den Namen Leto tragen heutzutage anscheinend einige. Angesichts des aktuellen 30 Seconds To Mars Albums, und der Tatsache, dass wir hier keine Filme behandeln, nehmen wir uns wohl doch der Hamburger Combo an - lohnt sich auch mehr.

Gegründet: 2013

Heimatstadt: Hamburg

Genre: Indie Punk

Bisher veröffentlicht: Leto EP 2016; „Vor die Hunde“ LP kommt 2018

Für Fans von: Alex Mofa Gang, Captain Planet, Turbostaat

Es klingt wie der Anfang eines schlechten Witzes: Ein Altenpfleger, ein Sonderpädagoge, ein Student der sozialen Arbeit und ein angehender Mediziner - nur gehen die in keine Bar, sondern gründen eine Band. Naja, wahrscheinlich gehen sie auch in eine Bar, aber die Band ist jetzt das Ausschlaggebende und die wird für einiges Aufsehen sorgen. In ihrer Konstellation sehen sich die Mitglieder selbst als die sozialste Band der Welt und das trifft es auch sehr gut.

Die erste Wandlung der Band hat sich bereits vollzogen, denn Frontmann Jannes singt nicht mehr auf Englisch, sondern wieder auf Deutsch. Doch was kommt heraus, wenn man Punkrock spielen will, der Gitarrist aber ziemlich auf Metal steht und zu allem Überfluss auch noch so versiert ist, diesen spielen zu können? Phill, der Gitarrist, hält sich zurück, zumindest was den Metal angeht. Stattdessen bringt er die nötige Melodie in das Gitarrenspiel, um sich vom Punk zu entfernen und die schmale Gratwanderung zwischen Pop-Punk und Indie-Punk zu wagen. Leto klingen ein wenig wie Turbostaat, Radio Havanna und, auch wenn es absurd klingt, ein wenig KMPFSPRT. Dieser Mix macht die Jungs recht schwer vergleichbar, da jedes ihrer Elemente nur in Kombination mit einem anderen richtig funktioniert.

Doch am besten wirkt ihr Sound durch die filigranen Texte, die hier jedoch nicht allzu viel Raum einnehmen sollen, da das kommende Album noch im Detail von uns besprochen wird. Nur so viel: Wie Leto Themen aufgreifen, analysieren und in einem musikalischen Konstrukt verbauen, ist einfach unglaublich. Dabei haben sie sich keine einfachen Themen ausgesucht: Die Schere zwischen Arm und Reich, Fernweh, ekliger Voyeurismus im Internet oder rechte Hetze. Gerade bei Themen wie Hetze oder Fernweh liegt es leider sehr nahe, in Banalitäten und Plattitüden zu verfallen, doch nicht so Leto. Die Worte sind Track für Track fein ziseliert. Die abwechslungsreiche Musik dazu tut ihr Übriges, mal rhythmisch tanzbar, mal brachial (was ebenfalls tanzbar erscheint, allerdings nur, wenn es sich bei der präferierten Tanzart um einen Mosh- oder Circlepit handelt). Und ein jedes Mal ist beides perfekt aufeinander abgestimmt ist. Der Verfall der Gesellschaft und des menschlichen Miteinanders wurde wohl noch nie so treffend auf einem ganzen Album komprimiert.

30 Seconds To Mars muss nicht unbedingt sein, Ghettoganz inklusive seiner Fortsetzung sind zwar absolut sehenswert (der Name täuscht), doch die vier jungen Männer aus Hamburg sind definitiv der spannendste Teil dieser Liste. Wie weit es mit Leto gehen wird ist nicht schwer zu erraten, denn dieser Stil, mit Worten zu hantieren und diese in individuelle Gewänder zu hüllen, wird die Szene und ihre Herzen im Sturm erobern.