Chazz Luck hatte sich dieser Art personeller Identität in seiner Trap-Interpretation immer entzogen, trotzdem scheint die allgemeine Attitüde der Genre-Vertreter ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben. „Ich habe das Gefühl, dass Trap meinem Charakter nicht gerecht wird“, sagt Pasenau. „Die Werte, die dort vermittelt werden, das bin nicht ich. Eigentlich bin ich ein Mensch, der gerne tanzt, der sich nicht beispielsweise über seinen Drogenkonsum definiert. Ich habe mich in meiner Musik auch immer anders dargestellt. Aber wenn ich andere Trap-Songs höre, dann stößt es mich ab, was die Leute sagen. Ich möchte mich damit nicht identifizieren.“
Die Funk- und Soul-Sparten aus den Popwelten der 70er und 80er haben ihre Wirkung auf Pasenau nie ganz verloren, wenngleich er sich in seiner eigenen Musik anderen Sphären widmet und der Sound auch auf privaten Hörebenen zwischenzeitlich etwas ins Hintertreffen gerät. Pasenau interessiert sich trotzdem auch für moderne Interpretationen des Genres. New Funk findet auch in der Lo-Fi-Ästhetik der späten 2010er seinen Platz und Acts wie Thundercat funktionieren wie eine Brücke zwischen Zeitgeist und Retrospektive. Eine solche schlägt auch Pasenaus Interesse für gegenwärtige Synthpop-Acts. Tame Impala, Capital Cities, MGMT oder Kavinsky transferieren einen Sound in die Moderne, dessen Grundansatz Jahrzehnte zurückreicht. „Wenn ich 80er-Drums oder -Synthies höre, dann erinnere ich mich an unseren Küchentisch zurück, an dem ich saß, bevor ich zur Schule gefahren bin“, meint Pasenau. Einen besonderen solcher Rückerinnerungsmomente hat der Künstler, als er eines Tages wieder bei seiner Mutter zuhause sitzt und „I Don’t Want To Be A Hero“ von Johnny Hates Jazz den Raum beschallt. Pasenau beschreibt diesen Moment als Paradigmenwechsel, der ihn zu seinen Ursprüngen zurückführt. „Plötzlich habe ich wieder viele von den Playlisten gehört, die ich damals gemacht habe“, meint er.
Es scheint konsequent, dass diese stark musikalisch behaftete, aber auch wertorientierte Neufindung ihre Auswirkungen auf die Musik von Chazz Luck haben würde. In der neuen Reihe von Singles, die der Künstler seit einigen Monaten veröffentlicht, scheint der Übergang dabei zunächst noch sehr sanft. „Ego“ heißt nach dem auch in Videoform festgehaltenen Prolog der erste neue Song, der nach wie vor mit der Mischung aus Synthesizern, Lo-Fi-E-Drums und melodischem Rap spielt, die Chazz Lucks ursprünglichen Sound ausgemacht hatten. Sehr viel deutlicher wird die Transition aber etwa in „Psycho“, einem Song, in dem Stevie Wonder nicht nur in der Hook zitiert wird, sondern auch im Instrumental erklingt und sich in einer Akkordfolge äußert, deren Ästhetik von Wonder höchstpersönlich stammen könnte. Dieser klangliche Spagat wird vor allem deswegen so interessant, weil Chazz Lucks Musik in ihrer Grundanlage immer wieder auch fast eher einen futuristischen Charakter offenbart hatte. „Paranoia“ klingt mit seiner bebenden Ästhetik nach der Art von Synthwave-Retrospektive, wie sie Acts wie The Midnight heute vertreten: Sie transferieren zeitgleich die Erinnerung an eine Zeit, die viele der Hörenden wahrscheinlich nie erlebt haben, und vermitteln gleichzeitig eine Vorstellung von Zukunft, die die Menschheit vor Jahrzehnten hatte.