Youth Okay und „Turns“: Blasmusik 2.0

Fehlende Kreativität ist ein großes Problem. So müssen Bands in diesem Fall meist allerlei Vergleiche über sich ergehen lassen, die nicht nur der eigenen Gruppe schmerzen, sondern auch oft der Vergleichsband. Aber es gibt sie noch, die neuen, unverbrauchten Ideen. So auch „Turns“ von Youth Okay.

Sondaschule, Destination Anywhere und Co. sei Dank: Trompeten oder Posaunen erfreuen sich besonders in der Kombination Ska und Punk sehr großer Beliebtheit. Die folgende Frage lässt sich allerdings an Absurdität kaum toppen – Wie bringt man die Blechblasinstrumente auf die nächste Stufe? Eine Frage die sich erst einmal jeder Logik entbehrt. Aber Youth Okay haben sie sich gestellt, da hießen sie noch gar nicht Youth Okay. Unter dem Namen "Naked Superhero" hatten sich die Münchener in den vergangen Jahren eine respektable Basis erspielt. Doch dann kam der Umbruch. Die Trompete und Posaune wurde mit Effekten verfremdet, so hat das Ganze etwas von einem Synthesizer-Sound bekommen. 

So startet man in eine neuerliche Findungsphase. Trotzdem geht man nicht vorsichtig zu Werke, sondern probiert sich aus, lyrisch wie musikalisch. Und besonders lyrisch klappt das besonders gut. Thematisch wagen sich Youth Okay an komplizierte Themen heran. Depressionen und die Tabuisierung ähnlicher psychischer Erkrankungen stellen einen zentralen Part des Albums dar. Da ist „Mouse In Maze“, welches den Blick ins Seeleninnere des Erkrankten, aber auch der Angehörigen wagt. “Supposed To Do” spielt mit alltäglichen Widersprüchen und schafft so eine bedrückende Bitterkeit. „Static Air” bringt die Beklommenheit auf die Spitze – die Bläser überschlagen sich und man kann die Apathie aus dem vertrackten Track förmlich heraushören. Und die Getriebenheit der Musik kombiniert sich perfekt mit der Getriebenheit des Sängers.

Es ist ein Stückweit ein Armutszeugnis so etwas zu loben, jedoch muss es heutzutage einfach gesagt werden: Es ist wahnsinnig erfrischend, wenn eine Band etwas zu sagen hat und weiß, wie man es in Worte fasst. Das Einzige, was man „Turns“ vorwerfen kann, ist ihre mangelnde stilistische Festigung. Die Songs wirken nicht zu 100% aufeinander abgestimmt, jedoch ist jeder Track für sich große Klasse. „Turns” ist aufregend, „Turns” ist anders, schlicht weil der künstlerische Ansatz des Albums so aufregend ist. Allein die Idee mit den Effekt-beladenen Bläsern ist so sensationell und hervorragend umgesetzt, dass man gar nicht anders kann, als sich in das Album zu verlieben.

Fazit

7.1
Wertung

Youth Okay sind wahnsinnig vielseitig und das macht riesigen Spaß. Allerdings fehlt bei aller Vielfalt ein wenig der rote Faden. Das fällt aber auch erst nach mehrmaligem Durchhören auf, da die Tracks eine große individuelle Klasse haben. Ich freue mich schon jetzt auf das zweite Album!

Moritz Zelkowicz