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WhoMadeWho und "Through The Walls": Kunststück

Der Begriff „Artpop“ erscheint wie ein nicht zu vereinbarender Widerspruch. WhoMadeWho wissen trotzdem sehr gut, wovon sie sprechen.
WhoMadeWho Through The Walls Cover

Was ist Pop-Musik und was kann sie sein? Eine Frage, deren Konsens nicht ohne Hindernis gefunden werden kann. Denn wie weit kann eine Musik gehen, die in ihrer grundlegenden Definition der Masse gefallen muss und trotzdem einen künstlerischen Anspruch bewahren will? Ein komplizierter Spagat, der jedes Mal Hoffnung für die zeitgenössische Popularkultur gibt, sofern er gelingt. So geschehen etwa bei Alt-J, die mit ihren wunderschönen Klangstudien immer wieder neue Experimente wagen, oder bei Zola Jesus, die auf ihrem neuesten Werk „Okovi“ Monumental-Balladen in imposanten Synthesizer-Wänden inszeniert. Zugegeben, auf keinen der beiden genannten Interpreten will die Musik von WhoMadeWho so wirklich passen, denn das dänische Trio bewegt sich mit seinen atmosphärischen Autotune-Träumereien eher im Kosmos von Künstlern wie James Blake. Einen ähnlichen Anspruch an die eigene Musik hat die Band dennoch – und legt damit den Grundstein dafür, dass „Through The Walls“ so ein herrlich bezirzendes Erlebnis geworden ist.

Denn WhoMadeWho verstehen es, ihren Songs einen unverkennbaren Stempel aufzudrücken. Das Deep-House-Grundgerüst des Sounds erinnert unweigerlich an weltbekannte Electronic-Stars wie Flume, wartet aber mit intelligent eingesetzten Kniffen und Details auf, die einen eigenen Trademark-Sound definieren. Besonders auffällig ist dabei der eindringliche Falsett-Gesang von Jeppe Kjellberg, der gemeinsam mit den minimalistischen Synthie-Beats grandiose, weil zu jedem Zeitpunkt sehr eigen geführte Pop-Melodien entwickelt. Mit am besten funktioniert das zum Beispiel im Song „Crystal“, in dem sich auch gleichzeitig eine weitere von WhoMadeWhos Stärken auftut. Anstatt sich nämlich ausschließlich auf synthetische Elemente zu verlassen, baut die Band Gitarren inmitten ihrer Klangwände ein, die durch den Einsatz zahlreicher Effektgeräte zwar kaum noch als solche auszumachen sind, aber immer noch ihren unverwechselbaren Vibe besitzen und sich somit vorzüglich in das bebende Soundbild eingliedern.

Am besten funktioniert die Rezeptur von WhoMadeWho immer dann, wenn ihre Klangwelten ganz subtil unter die Haut fahren. Da wirkt etwa der Titeltrack mit seinen deutlichen 80er-Synth-Pop-Anleihen schon fast zu direkt und treibend. Besser macht es der Opener „Neighbourhood“, der ohne viel Aufdringlichkeit den Appeal zur gefälligen Melodie mit dichter Atmosphäre verbindet. WhoMadeWho nutzen die Stärken elektronischer Instrumente stilsicher und schaffen so den eingangs erwähnten Spagat tatsächlich nahezu perfekt. „Through The Walls“ ist problemlos zugänglich und wird mit der Zeit gleichzeitig zu einem immer anspruchsvolleren und intensiveren Werk, das sich von keinem Korsett einengen lässt und in eine verheißungsvolle Ära weist.

Fazit

7.3
Wertung

WhoMadeWho nutzen jede noch so kleine Kerbe ihrer synthetischen Spielräume und entwickeln daraus ein großartiges Kunstwerk mit vielen Finessen und Experimenten. Der wahre Geist von "Through The Walls" liegt aber vor allem in seiner grandiosen Atmosphäre, die mich mit immer stärkerem Sog in ihren Bann zieht.

Jakob Uhlig