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Urlaubsreif? Seaway nehmen euch in die Ferien mit

Pop-Punk ist gerade wieder ganz groß und beglückt uns in seiner dritten Generation mit immer wieder mit tollen Bands. Seaway sind seit sechs Jahren im Business und hauen nun ihr neues Album mit zwölf neuen Tracks raus. Das zweite Album der Kanadier heißt „Vacation“ und verspricht 90er-Homage-Pop-Punk – Zeit, um Tennissocken und Sandalen überzustreifen.
Seaway Vacation Cover

Das Albumcover zeigt einen alten Koffer mit Aufklebern von verschiedenen Reisezielen und sieht nach Urlaub aus. Wer Entspannung sucht, sollte dann aber doch eher zur Chill-Out-Lounge-Compilation greifen. Denn „Vacation“ beginnt schnell, tanzbar und mitreißend und behält dies auch bis zum Ende bei. Selbst bei den ernsthafteren und nachdenklicheren Stücken wippen Kopf und Fuß ungewollt mit. Durch die unbeschwerte musikalische sowie textliche Haltung erinnert das Album stellenweise an die frühen Blink-182. Ansonsten haben die Jungs aber einen recht eigenen Stil, mit vielen mehrstimmigen Parts und Effekten auf der Stimme und Instrumenten. Da wird verfremdet und die Spur multipliziert, so klingt alles fetter und größer.

Dazu kommen noch ab und an Synthies und wenige Soundsamples. Diese erweitern den gewohnten Pop-Punk-Sound auf interessante Weise und geben den Songs noch etwas mehr Tiefe. Der Lead-Sänger wird meist noch von einer zweiten Stimme und nicht selten auch durch Backing Vocals unterstützt. Die Lead Vocals wechseln zwischen sanft-nasalem und lautem Gesang, welcher sich teils ins Schreien steigert. Wer mehrstimmigen Gesang mag, kommt bei Seaway also voll auf seine Kosten. Es klingt gut, ist ebenso produziert und macht beim Zuhören auch Spaß. Die Mehrstimmigkeit wurde mir persönlich jedoch zu inflationär genutzt und hat ihre Wirkung dadurch etwas eingebüßt. Ein gezielterer Einsatz an weniger Stellen hätte da mehr getan. So wird einfach jeder Chorus mehrstimmig aus den Boxen gejagt und auch zwischendrin gibt es stets Passagen mit mehr als einer Stimme. Das muss man wirklich mögen.

Mit zwei Gitarren, einem Bass und Drums ist das Line Up der Band gut aufgestellt und liefert solide und gute Pop-Punk-Melodien ab. Technisch gibt es hier nichts zu meckern. Die Songs gehen meist gut ab und machen vollen Gebrauch von beiden Gitarren, wobei auch mit Effektgeräten nicht gegeizt wurde. Reinrassiger Pop-Punk eben, wobei sich die Kanadier eher am Sound der 90er orientiert haben, als die aktuellen Entwicklungen mitzugehen. Der aktuelle Pop-Punk geht meist etwas härter nach vorn, arbeitet auch teils mit Breakdowns und hat sich dem Metalcore insgesamt etwas angenähert. Seaway grooven noch etwas mehr wie früher und manche der Songs hätten auch auf „Enema of the State“ Platz gefunden. Diese gewollte Hommage ist ihnen gut gelungen und klingt trotzdem nicht wie ein Abklatsch. Eine gelungene Fusion des aktuellen und alten Stils. Textlich geht es um das Übliche - Liebe, Leben und das Erwachsenwerden. Nichts massiv Weltbewegendes, aber das haben Seaway auch nie behauptet. Was sie singen ist gut, nahbar und nachvollziehbar geschrieben.

Das Album lädt definitiv zum Mitgröhlen oder Rumhüpfen ein, nur klingen ein paar Songs sehr ähnlich und lassen etwas Abwechslung vermissen. Durch die massive Überproduktion mit etlichen Gesangsspuren und Effekten verschwimmen einige Songs ein wenig und bleiben nicht so gut im Ohr hängen. Selbst nach mehrmaligen Durchhören kann man die Tracks noch nicht auseinanderhalten. Wenn es dann mal einen Song gibt, der von der bewährten Formal abweicht, hört man auch recht gut, was hätte gehen können. Mit etwas mehr Feinschliff im Songwriting hätte „Vacation“ ein ehrwürdiger Nachfolger für Blink-182 und Konsorten werden können. Trotz aller Kritik sind auf dem Album einige echt gute Ohrwürmer enthalten, welche Fans der ersten und zweiten Pop-Punk-Generation gefallen dürften. Ein Reinhören ist für Fans von 2000er High-School-Filmen, Sum 41, Blink-182 und Simple Plan eigentlich uneingeschränkt zu empfehlen.

Fazit

6.5
Wertung

Die Pop-Punk-Milchschnitte. Lecker für zwischendurch, aber macht nicht wirklich satt.

Johannes Kley