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Turnover und „Altogether“: Ä S T H E T I S C H P R A G M A T I S C H

Für Stillstand standen Turnover wahrhaftig noch nie. Auf ihrer vierten Platte setzt sich diese Prämisse fort und schlägt eine Richtung ein, die einem gewissen Album-der-Woche-Kolumnisten durchaus gefallen dürfte.

Natürlich: Ganz so drastisch wie den Sprung vom ersten zum zweiten Album gestalten Turnover ihre Wandlungsprozesse mittlerweile nicht mehr. Den Schritt der jugendlich-forschen Emo-Punk-Platte „Magnolia“ zum pastellgefärbten Dream-Pop-Sound von „Peripheral Vision“ ist mittlerweile in etlichen Pressetexten und Interviews auserzählt worden, wohl auch, weil sich dieser Stilbruch so schön plakativ darstellen lässt. Von dieser radikalen Mentalität kann bei Turnover mittlerweile kaum noch die Rede sein, vielmehr fühlt sich die Band auch mit dem vierten Album noch ausgesprochen wohl im Kontext der samtig-weichen Waber-Produktion. Dennoch unterstreicht der Beginn von Turnovers Karriere, dass Progression eine angenehme Grundstruktur im Konstrukt des Trios darstellt.

Hörbar wird das auf „Altogether“ in einer Verträumtheit, die erstmals geradezu jazzig-loungige Züge annimmt. Das tolle „Ceramic Sky“ kokettiert seine eigentlich sehr minimalistischen Gitarren-Arpeggios so etwa mit einem genussvollen Saxophon-Solo, das zwar in der Popkultur aktuell ein massives Comeback feiert, im Kontext von Turnover aber nicht wie ein erzwungenes Gimmick klingt, sondern sich wie eine enorm konsequente Ergänzung des Gesamtsounds anfühlt. Zudem öffnet sich die Band immer stärkeren Pop-Einflüssen, was im Kontext ihres samtig-weichen Sounds kein Defizit ist. Vielmehr verleiht der zugängliche Appeal von „Parties“ Turnover ein wenig Erdung und Bodenständigkeit. Das ist besonders deswegen bemerkenswert, weil „Altogether“ mit seinem verwobenen Sound und seinen undefinierbar schillernden Visuals schon fast mit Vaporwave zu liebäugeln scheint, der sich in seiner Grundform vor allem durch eine verzerrte Klangrealität auszeichnet.

Dass Turnover inmitten ihrer verworrenen Soundschichtungen ein Stück Menschlichkeit durchblicken lassen, ist aber vor allem eine Notwendigkeit ihrer lyrischen Ausrichtung. Selten hat die Band sich mit derartig optimistischer Lyrik beschäftigt. Kummer findet auf „Altogether“ auch fast immer seine Befreiung, so auch im bereits angesprochenen „Parties“, das sich zum Finale seine textlichen Ängste abschüttelt. Wenn Frontmann Austin Getz in „Valley Of The Moon“ von seinem Sicherheitsgefühl in der eigenen Heimat singt, dann ist das ein beeindruckender Gegenpol in einer Popkultur, die sich aktuell vor allem traut, in einseitige Abgründe zu blicken. „Altogether“ ist der Frieden, den man eben auch manchmal braucht.

Fazit

7.2
Wertung

Turnover entwickeln ihren Sound in zwei Gegenpole und zeigen sowohl ungekannt hallende Melancholie als auch einen beeindruckend simplen Pragmatismus. „Altogether“ gelingt deswegen ein differenziertes Gefühlsabbild, das akkurater daherkommt als das übliche Schablonendenken der Popmusik. Erfrischend!

Jakob Uhlig
5.3
Wertung

Auf „Altogether“ planschen Turnover semi-munter in einem Pool aus Indie-Pop, Fahrstuhl-Funk, Hotellounge-Jazz und Käse-Synthies. Ein stimmiges Dreampop-Album, das aber aufgrund diverser Copy-and-Paste-Instrumentals recht eintönig daherkommt.

Felix ten Thoren