Reviews

The Toten Crackhuren im Kofferraum und „Bitchlifecrisis“: Domo arigato, sayonara, Bitch!

Jetzt wird wieder auf den Boden gerotzt. Es wird gepöbelt was das Zeug hält, raue Zeiten erfordern raue Alben. Und auch ein bisschen Niveaulosigkeit. The Toten Crackhuren im Kofferraum machen es mit „Bitchlifecrisis“ vor.

Egotronic veröffentlichten 2017 ein Album voller Abscheu und Hass. Die musikalischen Bausteine bestanden aus viel Punk mit etwas Electro. Bei den Crackhuren ist es genau andersherum. Aber im Großen und Ganzen ist der Vergleich zwischen den beiden Bands aus Berlin dennoch recht treffend. Beide nehmen absolut kein Blatt vor den Mund, nur dass die Crackhuren weniger politische Brisanz, dafür aber mehr Spaß mitbringen.

Los geht es mit der Behandlung von Arbeitslosen in diesem Land. Die Band erzählt, dass es verurteilte Straftäter gibt, die auf Bewährung mehr Freiheiten haben als so mancher Hartz-IV-Empfänger, sich dabei aber nicht von Mitarbeitern des Jobcenters schikanieren lassen müssen. Ein Thema, dem sich sehr direkt und überspitzt der Song „Jobcenterfotzen“ annimmt. Das Ganze ist gerade von der Wortwahl komplett drüber, aber sind wir ehrlich, dass ist der Duktus, mit dem solche Texte Aufmerksamkeit bekommen. Allerdings wohl  nicht die Aufmerksamkeit, die es bräuchte, um über das Thema auf höherer Ebene zu diskutieren. Besonders die Punkszene ist so politisch wie selten zuvor. Aber aufgrund der Kombination der Worte „Punk“ und „Links“ behindern dann Vorurteile das Denken des Gegenübers. Doch das ist ein ganz anderes Fass.

Ist es Misanthropie, sind es Depressionen oder bloßer Hass auf die Welt? Nein, es ist eine Vorhersage. „Ok Ciao“ mit Pöbel MC beschreibt den Untergang der Menschheit und könnte kaum beklemmender sein, besonders die Hook, die die Apokalypse als schönen Tag tituliert. Diese Stimmung ist schwer in Worte zu fassen, außer dadurch, dass sie eben beeindruckend beklemmend ist. Und die Gesellschaftskritik kommt auch durch, aber das dauert kurz. Eine wirklich intelligente Nummer. „Minus 1“ ist dann ein absolut wunderbarer Battle Track, der die absolute Höchststrafe demonstriert, exklusiv auf der „Antigästeliste“ zu stehen. Als Featuregast wurde der wunderbare Juse Ju an Bord geholt.

„QVC gegen Geilheit“ ist ungefähr aufgebaut wie eine Stand-Up Comedy Nummer. Wo Frank Drebin in „Die Nackte Kanone“ noch an Baseball denken muss, um den Ejaculatio Präcox zu verhindern, haben die Crackhuren das Allheilmittel, wenn es wiedererwartend gar nicht erst zum Sex kommt: den Shopping-Kanal QVC, oder „habt ihr schon mal versucht zu Harald Glööckler zu masturbieren?“  Natürlich geht das vollkommen unter jede Gürtellinie, aber es ist auch sehr unterhaltsam und in jeder Unanständigkeit steckt auch ein Körnchen Wahrheit.

Die Gefühle, die „Ein Bett aus Pizzaschachteln“ erzeugt, sind mit „zutiefst betroffen“ nicht ansatzweise treffend beschrieben. Das Herz will, was das Herz will. Das ist nicht immer schön, im Gegenteil, es kann auch Grausam sein. Und plötzlich findest du dich auf einem Müllhaufen bei deinem Liebsten wieder, der sich mit Mitte dreißig von Mama bedienen lässt, oder bei deinem frustrierten Vollalkoholiker der dich nur anruft, wenn du Bier mitbringen sollst. All das schildern die Crackhuren so verstörend plastisch. Wirklich großes Kino, wenn auch kein schönes.

Es ist auch etwas Platz für humorlose Assi-Allüren. Tracks wie „Keine von uns ist krank“ oder „Rumlaufen Stress machen“ wirken auf den ersten Blick nervig, doch schon auf den zweiten geben sie sich besonders im Fall des letzteren Tracks der Lächerlichkeit hin und machen wieder ganz viel Spaß. Dass „Bitchlifecrisis“ kein Album für alle Tage ist, geht Richtung Untertreibung des Jahrzehnts. Es ist extravagant, es ist unverschämt, ungezügelt und dreist. Genau. Es ist wunderbar.

Fazit

7.4
Wertung

Das Album ist ein ganz großer Mittelfinger, gefühlt gegen alles. Aber es ist nicht dumm, so wie es auf den ersten Blick vielleicht scheint. Es hat viel Witz, versprüht dabei keinerlei Charme. Sonnenbrille auf und schön asozial im offenen Cabrio durch die City… Moment, schreib ich das hier gerade?

Moritz Zelkowicz