Tiny Moving Parts und „Swell“: Fingerfertige Emotionalität

Emo ist ein beliebter Begriff und als Genre schwer zu definieren. Abgesehen von den Texten ist beinahe alles erlaubt und manche Bands trauen sich auch von den alten Pfaden abzuweichen. Tiny Moving Parts sind eine solche Band.
Tiny Moving Parts Swell Cover

Die 2000er-Jahre schwemmten eine Flut von Emocore-Bands in die heimischen Anlagen von Teenagern und jungen Erwachsenen. Verzweifelt, wütend und emotional berührend waren sie der Freund, der einem im Chaos der Gefühlswelt verstanden. Mit dem Erwachsenwerden der damaligen Fans starben auch viele Bands und Teile des Genres. Manche Gruppen jedoch blieben dem Genre treu und erweiterten die alten Pfade um neue Weggabelungen und Kreuzungen.

Tiny Moving Parts vereinen Widersprüche und komponieren komplexe Songs mit Anspruch, Emotionen und Spaß. So kombinieren die Jungs aus Minnesota auf „Swell“ erneut verspielte Gitarren aus dem Math Rock, Texte aus dem Emo mit Screamo-Elementen und einer Prise Pop. Das Ergebnis ist Post-Hardcore mit Ohrwurmcharakter.

Der Opener „Applause“ beginnt mit einer verspielten Gitarre, die beim Zuhören schon die Finger verknotet. Schnelle Wechsel und Melodiefolgen, dann öffnet Dylan sein Herz. Über all den fröhlichen Noten und poppigen Drums schweben die Zeilen, die den wahren Inhalt des Songs offenbaren. Ein Lied über Aufgeben, Schmerz und das Durchhalten. Die Gratwanderung zwischen fröhlichen Popmelodien, komplexer Gitarrenspur und teils depressiven Lyrics gelingt Tiny Moving Parts oft schmerzhaft gut. In „Warm Hand Splash“ besingt der Frontmann den Verlust einer geliebten Person auf berührende Art und Weise. Auch wenn die Musik ein wenig an Freundlichkeit eingebüßt hat, so geben doch erst die Textzeilen den wahren Charakter preis. Ein Album, das klingt wie das Lächeln auf die Frage, ob alles gut sei, obwohl der Schmerz droht einen aufzufressen.

Das Gefühl zieht sich durch alle zehn Songs und macht „Swell“ unglaublich berührend. Die Brüder William und Matthew und ihr Cousin Dylan spielen hektisch, teils abgehackt und wechselnd, teils sanft, während der Sänger mal herzergreifend singt und mal verzweifelt schreit. Zu keinem Zeitpunkt klingt das Album dabei falsch oder gekünstelt. In all der Komplexität, mit dissonanten Akkorden und abgehackten Melodien, erscheint „Swell“ glaubwürdig und menschlich.

Fazit

8.5
Wertung

Ein geniales Album mit allem, was das Emoherz begehrt. Wieso kannte ich die noch nicht vorher?!

Johannes Kley