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Tied To A Bear und „True Places“: Wehmut und Herzschmerz von der East Coast

Tied To A Bear stehen für melodisch-raspelnden Punkrock aus Boston. Doch was sie auf „True Places“ besingen, ist nicht an einen irgendeinen Ort gebunden.
Tied To A Bear True Places Cover

„True Places“ ist nicht nur des Titels wegen ein Album, das am besten laut durch die sonnenbeschienene Halfpipe dröhnt oder dort gespielt wird, wo man eben die Sommerferien mit der besten Clique verbringt. Tied To A Bears Musik löst schnell das Gefühl aus, die Welt sei ein weiter Ort und alle Türen stünden einem offen. Vor allem, wenn diese eine Person die eigene Hand hält. Dann ist nichts mehr unmöglich. Die Band spielt flotten US-Punk mit emotionalen Texten à la Modern Baseball, Tiny Moving Parts oder Alkaline Trio. Zumindest von der Heartbreak-Herzschmerz-Quote her. Und wer kennt es nicht: Die Welt ist zu groß und wo soll man hin, wenn die Stadt zu klein ist? Das Herz zerrissener als die Lieblingsjeans und dem Übeltäter möchte man am liebsten nie wieder begegnen. Und ist irgendwas davon für ewig? Der Schmerz, die Liebe, die Freundschaft? Keine Ahnung, also erstmal einen Toast auf die Vergangenheit.

Die meisten Songs lösen durch stetigen Up-Beat ein eher hektisches Kopfnicken aus, doch auch solche mit eher moderatem Tempo finden sich auf „True Places“. Der namensgebende Track „Melville“ oder „300 Days“ zum Beispiel. Werden viele Punkrockplatten oft nach der Hälfte einfach langweilig, schaffen es Tied To A Bear in jedem Song etwas bereitzuhalten, das die Aufmerksamkeit aufs Neue sichert.  Ob das nun raspelnd im Duett schreiende Stimmen oder unerwartet geniale Rhythmuswechsel sind, Tied To A Bear beweisen hier Vielfältigkeit und schöpfen das Potenzial einer 4-Mann-Kombo voll aus. Vielleicht liegt die Kurzweil aber auch daran, dass neun von zwölf Songs keine drei Minuten dauern.

Für einen Roadtrip entlang der Ostküste Amerikas oder auch quer durchs Land, für einen Sommer mit vom harten Beton des Skateparks aufgeschlagenen Knien, nächtlichem Knutschen in den Suburbs oder einer schwitzigen Punkrockshow im kleinsten Club der Stadt – Tied To A Bear liefern den Soundtrack dafür.

Fazit

7
Wertung

„True Places“ ist die erste Punkrockplatte nach Jahren, die ich freiwillig mehr als drei Mal durchgehört habe. Mich hat sie erwischt und ich denke, das kann vielen anderen auch passieren.

Merten Mederacke