„Thunderbolt“ von Saxon hat seine Momente – und manchmal auch nicht

Nach 22 Alben und 39 Bandjahren drängt sich die Frage auf, ob es überhaupt möglich ist, noch einmal ordentlich auf den Putz zu hauen. Auf „Thunderbolt“ wollen Saxon offensichtlich kein Risiko eingehen.

Das instrumentale Intro „Olympus Rising“ ist genau das, was man vom Start in eine Metal-Platte erwartet: Der Anfang wird langsam aufgebaut, die Gitarren werden lauter, die Spannung steigt hör- und spürbar. Die Leadgitarre setzt ein und beginnt beim Titeltrack „Thunderbolt“ ihren Siegeszug durch das Album der Heavy Metaller. Leider hilft das ausgerechnet dem ersten vollwertigen Song nicht dabei, die Spannung standesgemäß zu entladen, die sich im Intro noch so bedrohlich aufgebaut hatte. Wie auch bei „The Secret of Flight“, „Sniper“ und „Roadie’s Song“ bleiben Saxon besonders in der Melodie eine Spur zu zurückhaltend und bodenständig. Oder anders formuliert: Klassisch solide.

Die Produktion ist ein Traum für alle Besitzer einer ordentlichen Musikanlage und über die Qualität von Sänger Biff Byford braucht man sich nach 40 Jahren auf immer gleichem, hochkarätigem Niveau auch nicht mehr zu streiten. Anfechtbar ist allerdings die Variation innerhalb der Songs. „Sons Of Odin“ macht die ersten drei Minuten seinem epischen Namen durchaus Ehre, zieht sich hinten raus aber durch immer gleiche Rifffolgen und Melodien ebenso episch in die Länge. Dabei sind fünf Minuten für einen Metal-Song nun wirklich keine Dauer – wenn man ihn mit ausreichend Finessen zu füllen weiß.

Dabei können Saxon es doch auch in Zeiten von „Thunderbolt“ auf den Punkt bringen. „Nosferatu (The Vampire Waltz)“ hält genau die raue Düsternis, die der Name bereits verspricht. Staccatoartige Riffs sorgen dafür, dass sich die Zeile „the darkness comes to life“ tief ins Unterbewusstsein hämmert. Sogar ausgewachsene Growls in „Predator“ machen sich faszinierend gut im eiskalten Duell mit Biffs Reibeisenstimme, während die kleine, flinke Leadgitarre immer wieder das Hintergrundgeschehen aufmischt. Ihre Glanzstunde hat sie aber, wenn sie mit allen Instrumenten im Rücken nach vorne preschen kann. „They played Rock’n’Roll“, eine Hommage an den verstorbenen Lemmy, und „Speed Merchants“ sind da die optimalen Spielwiesen, die gleichzeitig demonstrieren, dass sich Saxon keineswegs auf soliden Passagen ausruhen müssten.

Saxon treten auf „Thunderbolt“ zu oft auf der Stelle und verkriechen sich hinter klassischen (und damit meine ich das langweilige Klassisch) Mustern, während sie an anderer Stelle deutlich machen, dass es auch anders geht.

Fazit

6
Wertung

„Thunderbolt“ hat seine Momente. Wer Saxon sowieso mag, wird auch an dem neuen Album seine Freude haben. Gleiches gilt für diejenigen, die auf der Suche nach einer guten Metal-Platte sind, die sich nicht aufdrängt und mit der man eigentlich nichts falsch machen kann.

Miriam Rhein